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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
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der Öffentlichkeit – zurück und beschwerte nun ihre Einsamkeit mit dieser Last. Ich konnte nichts dafür. Der Silberschmied hatte von mir keine Anweisungen bekommen, deshalb hatte er das hingesetzt, was ihm passend schien; als ich es sah, konnte ich mich nicht entschließen, es noch einmal ändern zu lassen.
    Denn schließlich sagte dieser Spruch die Wahrheit: Anima Mea. Meine Seele.
    Ich hob ihre Hand und schloß ihre Finger fest um mein Geschenk. Dann ging ich hinaus, ohne mich noch einmal umzusehen.

LXV
    Ich wanderte zu den Wallanlagen und stieg hinter den verlassen dastehenden Puppenspielerbuden hinauf zu der einsamen Promenade.
    Hier war ich einst mit Helena Justina entlangspaziert. Manchmal ging ich auch allein hierher. Jetzt war es dunkel, aber das war mir gerade recht. Ich zog die Toga fester um mich, lauschte auf das nächtliche Rom und versuchte, meine Panik niederzukämpfen. Ich war über das, was ich getan hatte, selbst tief erschrocken.
    Vollkommen allein stand ich da, hoch über der Stadt. Ein kalter Wind blies mir entgegen. Aus der Ferne wehten Fetzen von Musik herüber, die stampfenden Schritte von Wachsoldaten, wildes Gelächter und zuweilen unheimliche Schreie.
    Als ich mich beruhigt hatte, das heißt, als mir sehr, sehr kalt war, stieg ich wieder nach unten.
    Ich kehrte zum Palast zurück. Ich bat um eine weitere Unterredung mit Titus. Es war jetzt sehr spät. Über die Wände der langen Korridore geisterten Schatten. Die wenigen Bediensteten, auf die ich stieß, plauderten miteinander und blickten kaum auf, als ich mit fahlem Gespenstergesicht vorüberging. Niemand schien sich über meine Anwesenheit zu wundern. Niemand schien Anstoß daran zu nehmen.
    Durch mehrere, mit üppigen Draperien ausgestatte Gemächer führte man mich in ein ziemlich unscheinbares Vorzimmer, und schon hörte ich, wie eine leise, gleichgültige Stimme meinen Namen nannte. Im nächsten Augenblick kam ein munterer alter Knabe in Pantoffeln an die Tür, gefolgt von dem Mann, der mich hierher gebracht hatte und nun verschwand. Der Alte betrachtete mich aufmerksam.
    »Die beiden jungen Cäsaren liegen schon im Bett. Nehmen Sie auch mit mir vorlieb?«
    Er trug eine zerknitterte purpurne Tunika ohne Gürtel. Ein großer Mann, etwa sechzig Jahre alt, stämmig und gesund, mit tiefen Furchen auf der Stirn und einem offenen Blick. Gerade seine zwanglose Art gab seiner Erscheinung Gewicht: er war imstande, die Leute allein durch seine Persönlichkeit zu beeindrucken. Und er machte seine Sache gut. Ein verflixter Kerl vom großen Zehen bis zum schütteren Haar – er gefiel mir sofort.
    Ich wußte, wer er war: der Kaiser selbst, Vespasian.
    Ich hielt es für angebracht, höflich zu antworten, daß ich gern mit ihm vorliebnehmen würde.
    Er warf mir einen amüsierten Blick zu und winkte mich herein. In einer Ecke des Raumes, die von mehreren, geschickt verteilten Lampen in ein gemütliches Licht getaucht wurde, hatte er gearbeitet. Zwei Stapel von Briefen lagen dort, mit denen er sich gerade beschäftigte. Alles sah wohlgeordnet aus. In einem solchen Büro hätte ich auch gerne gearbeitet.
    »Sie sind also dieser Falco. Mitgenommen sehen Sie aus. Wollen Sie einen Becher Wein?«
    »Nein danke. Mir ist nur ein bißchen kalt. Bitte, keine Umstände.«
    »Was heißt hier Umstände?« meinte er fröhlich. »Hier gibt es keine Umstände, sondern unzählige Becherträger und Mundschenke, die nur darauf warten, ihr Zeug loszuwerden –« Ich schüttelte noch einmal den Kopf. Aber er war mit seinem Vortrag noch nicht fertig. »Hereinbringer und Hinausträger. Und jeder ist ein Fachmann, der sich auf sein Können etwas einbildet. Wenn Sie wollten, würde man Ihnen auch einen Sklaven präsentieren, der Ihnen die Fusseln aus dem Nabel entfernt, mit allem was dazu gehört: einer Fusselentfernerschürze und einem Fusselentferner mit perlenbesetztem Griff.« Jetzt hatte er sich anscheinend beruhigt.
    »Sehr erholsam, wenn einem das alles zur Verfügung steht.«
    »Bei mir war es mit der Erholung vorbei, als ich zum erstenmal die Lohnliste gesehen habe«, meinte Vespasian bitter.
    Er richtete seine tiefen Augen auf mich, und mir wurde klar, daß ich mit Titus fertigwerden konnte, aber nicht mit ihm.
    »Ich habe gehört, wie Sie sich wegen der Vergütung benommen haben.«
    »Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    Vespasian schwieg. Mir schien, das Angestrengte in seinem Blick, für das er berühmt war, rührte vielleicht von der Anstrengung, sich
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