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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
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Tod plötzlich die Moral, die Sie im Leben so verachtet haben? Ein Hochverräter aus der Mittelklasse – zu ehrwürdig für den Galgen?«
    »O Marcus –«, murmelte Helena. Genau in diesem Augenblick hörte ich die große Eingangstür quietschen. »Laß diesem Mann sein Bürgerrecht«, bat sie. »Gib ihm die Chance und warte, ob er sie nutzt. Laß mich ihm sein Schwert geben –« Sie hatte es getan, bevor ich sie daran hindern konnte, und natürlich setzte er es ihr sofort an die kostbare Kehle.
    Camillus Meto hatte die Ehre einer Brennessel, und das Mädchen war ihm zu nahe gekommen. Er fuhr mit einer Hand tief in ihr weiches Haar und zwang sie auf die Knie. Ihr Gesicht war ganz grau geworden. Eine Bewegung von mir oder von ihr, und er würde sie in Scheiben schneiden wie spanischen Räucherschinken.
    Ich befahl ihm: »Lassen Sie das Mädchen los –« und versuchte, seinen Blick zu fesseln.
    »Ach, Falco! Ihr schwacher Punkt!«
    »Nein, Camillus – meine Stärke.«
    Helena wehrte sich nicht und sagte nichts; ihre Augen versengten mich. Ich setzte einen Fuß vor.
    »Keinen Schritt näher!«
    Er stand zwischen mir und der Tür. So hatte er das bessere Licht, aber ich hatte die bessere Sicht.
    »Hinter Ihnen, Camillus!«
    »O ihr Götter!« grinste er. »Nicht dieser uralte Trick!«
    Ich hob die Stimme: »Kamerad, Sie haben sich viel Zeit gelassen!«
    Helena schrie auf, als ihr Onkel sie mit gnadenloser Faust an den Haaren riß. Das war sein Fehler. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, aber zuletzt hörte auch er die wütenden Schritte von hinten auf sich zukommen.
    Er wollte sich umdrehen. Ich schrie: »Er gehört Ihnen!«
    Da wandte sich Publius nach hinten; ich machte einen Satz nach vorn und riß Helena weg.
    Ich drückte sie an mich und preßte ihr Gesicht an meine Brust.
    Noch bevor es vorüber war, hörte sie auf, sich zu wehren; sie hatte verstanden. Dann lockerte ich meinen Griff und zerschnitt den Strick, mit dem sie gefesselt war, bevor ich sie einen Blick auf die Szene werfen ließ.
    Ihr Onkel war tot. Neben ihm, in einer Blutlache, ein Schwert: nicht sein Schwert. Daneben sein Henker.
    Der Senator Decimus Camillus kniete auf dem Boden. Einen Moment lang hielt er die Augen fest geschlossen. Ohne aufzublicken fragte er mich: »Was sagt uns Ihr Trainer immer? Wenn man einen Menschen mit dem Schwert töten will, sind drei Dinge nötig: Kraft, Geschwindigkeit – und der brennende Wunsch, ihn tot zu sehen! «So redete der gute Glaucus tatsächlich. Und es war ein guter, beherzter Schlag gewesen, aber das würde ich dem Senator niemals sagen. »O mein Bruder, Heil dir und Lebewohl!«
    Während ich in einem Arm noch immer seine Tochter hielt, trat ich auf ihn zu und bot ihm den anderen, um ihn aufzuhelfen. Helena fiel ihm um den Hals. Ich umarmte sie beide. In diesem Augenblick der Erleichterung und des Schmerzes waren wir einander gleich.
    Wir standen noch so, als die Prätorianer kamen. Petronius Longus erschien im Eingang, wachsbleich. Hinter ihm hörte ich das Rumpeln der zurückkehrenden Wagen.
    Es entstand eine Menge Lärm. Leute mit Rangabzeichen übernahmen die Regie, und sofort geriet alles in Unordnung. Leute, die bei den Ereignissen dieses Nachmittags überhaupt keine Rolle gespielt hatten, beglückwünschten sich zu ihrem tatkräftigen Einsatz. Ich ging langsam nach draußen, meine Augenhöhlen, so schien es mir, waren leer wie die Öffnungen in einer Schauspielermaske.
    Das Lagerhaus mit der Leiche wurde versiegelt. Vor das Hoftor wurde eine Kette gelegt. Decimus wurde mit einer Eskorte zum Palast gebracht, wo er eine Erklärung abgeben sollte; ich sah zu, wie man seine Tochter zu einer Sänfte geleitete. Wir sprachen nicht miteinander. Die Prätorianer wußten, daß ein Ermittler – auch ein Ermittler des Kaisers – mit der Tochter eines Senators nichts zu schaffen hat. Metos Schwert hatte mich verletzt; auf Helenas Gesicht sah ich mein Blut. Sie wäre gern bei mir gewesen, das spürte ich. Sie war übel zugerichtet, sie war erschüttert, ich sah, daß sie zitterte; aber ich konnte nicht zu ihr.
    Hätte sie mir das kleinste Zeichen gegeben – ich hätte sämtliche Prätorianer beiseite geschoben. Sie tat es nicht. Ich stand unschlüssig da. Die Garde brachte sie nach Hause.
    Es war Nacht. Der Ruf einer Eule drang vom Kapitol herüber. In den Straßen der Stadt erklang auf einer traurigen Flöte das schäbige Lied von der Ungerechtigkeit der Männer gegen die Frauen und der Ungerechtigkeit der
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