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Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel

Titel: Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
Autoren: Jacques Berndorf
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hätten Franz in seinem Säuferelend befragt und dazu gebracht zu sagen: >Die Judith war da! Ich habe meinen Bruder auf die Eiche gehoben! Zusammen mit Judith!< Das war dann wahrscheinlich kurz bevor jemand hinging und ihn erschlug. Das ist doch lächerlich.« Sie starrte mich an, sie war voller Verachtung, und sie wirkte noch immer sehr sicher.
    Und sie wollte irgendetwas von mir hören. Was war das? Ich dachte verkrampft nach: Wieso reitet sie auf diesem Bruder herum?
    Dann kannte ich plötzlich die Antwort, dann wusste ich, was sie dachte und warum sie so dachte. Und ich wusste auch, dass sie etwas nicht wusste und immer versuchte, dieses Nichtwissen auszuloten. Sie war eine verdammt kühle Frau, und sie machte es eigentlich gut.
    »Nein«, sagte ich, »ich habe nicht mit Franz vor seinem Pennertod gesprochen. Ich habe ihn nie kennengelernt. Ich habe Kinder getroffen, die gesagt haben, er sei ganz wunderbar gewesen. Er habe ihnen Tiere und ihre Fährten im Wald und im Schnee gezeigt. Er konnte einen Puter vormachen, der angeben will. So etwas eben. Die Kinder waren hingerissen. Er war nicht brillant, dieser Franz. Im Gegenteil, er flippte aus und soff, und die Leute lachten über ihn, und dem Jakob war das manchmal peinlich, und er hat dem Franz eine gescheuert, als der es zu arg trieb. Ich habe leider mit dem Franz nie im Leben ein Wort gewechselt, aber ich hätte es gern getan. Ich fand ihn nur, als jemand ihn erschlagen hatte. In einem baufälligen Haus, in dem er manchmal schlief. Viel Symbolik. Und ich sage auch mit aller gebotenen Vorsicht, dass Manni Luchmann wahrscheinlich seine Hand im Spiel hatte. Wahrscheinlich hat er jemanden geschickt, um die Sache mit Franz ein für allemal zu erledigen. Für Sie, Judith. Wir werden es erfahren. So, wie er dummerweise mir jemanden schickte, der mir den Arm brach. Nein, ich habe kein Wort mit Franz geredet, aber er hat das Seil in den Händen gehalten, mit dem er seinen Bruder an dem Baum hochzog und dann festband. Kein Zweifel.«
    Sie blickte vor sich hin auf das Tischtuch, sie schob ihren Teller um ein paar Zentimeter zur Tischmitte, sie verrückte ihre Kaffeetasse, sie ordnete etwas, und sie wirkte versunken.
    »Es gibt noch etwas, das Sie nicht wissen können«, sagte ich. »Franz hat seinen Bruder auf den Baum gebracht. Und Sie haben ihn wahrscheinlich einfach laufen lassen. Der Mann war betrunken, der Mann war ungefährlich, dem Mann glaubte kein Mensch. Aber dieser Penner hatte nichts anderes zu tun, als schnurstracks zu Vonnegut zu gehen. Mitten in der Nacht bis Vossenack. Da war er auch, in der gleichen Nacht. Und aus irgendeinem Grund trank er einen grünen Minzlikör, billiges Zeug mit viel Lebensmittelfarbe. Und diese Lebensmittelfarbe haben wir in seinem Körper nachgewiesen. Ich habe nie mit Franz geredet, aber ich kann Ihnen sagen, weshalb er nach Vossenack lief. Weil er irgendwann auf diesen Kilometern begriff, dass Vonnegut der Nächste sein würde. Aber Vonnegut glaubte ihm nicht, denn Franz war besoffen. Auf die Idee, dass er selbst in Todesgefahr schwebte, ist er wahrscheinlich nicht gekommen.«
    Ihr Gesicht hatte sich verändert, hatte schärfere Konturen bekommen. Der Glanz von Spott in ihren Augen war verschwunden. Ihr Stimme lag jetzt etwas höher: »Herr Baumeister, Sie haben jetzt viel Unsinn geredet, der endlich einmal aufhören sollte. Ich teile Ihnen mit, dass ich an dem fraglichen Abend überhaupt nicht in Einruhr war. Weder allein, noch mit einem Fahrer. Und schon gar nicht mit Bruder Franz. Und darauf haben Sie nichts zu erwidern.«
    »Das meine ich aber auch«, steuerte Stromberg bei.
    Ich war es jetzt leid, ich war wütend und traurig, und ich hatte keine Geduld mehr. »Glauben Sie im Ernst, ich komme hierher, um Ihnen Märchen aufzutischen? Es ist immer wieder erstaunlich, dass intelligente Menschen etwas arrogant über die Polizei sprechen und sich gar nicht vorstellen können, dass dort neben klugen Köpfen auch hochqualifizierte Wissenschaftler arbeiten. Deshalb wissen wir, dass an jenem Abend eine Frau bei Jakob Stern war. Eine Frau mit weißblonden Haaren. Und sie trug eine Jeans von Trussardi und bequeme Laufschuhe von Nike.«
    Sie starrte noch immer auf das Tischtuch. Sie sagte gedehnt: »Jaah.« Sie schaute mich eindringlich an, mit offenen Augen, und ich wusste, in ihrem Blick lag die Bestätigung meiner Vermutungen. Sie hatte aus Liebe gemordet, eine abgewiesene, eine enttäuschte Liebe. Ihr Mann war für sie zum
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