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Sieg der Herzen

Sieg der Herzen

Titel: Sieg der Herzen
Autoren: Linda Lael Miller
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betraf.
    Überall ringsum marschierten Männer und Jungen gleichermaßen in den Krieg davon, und kaum jemand sprach in diesen Tagen über etwas anderes.
    Wes schaute fort. Er konnte Wills Blick nicht standhalten.
    »Ich werde auf dich warten«, sagte er, jetzt wieder völlig stur. »Eine halbe Meile von hier.«
    »Nein, verdammt!«, grollte Will. »Wenn du das tust, versohle ich dich hier auf der Straße. Wes, ich schwöre bei Gott, dass ich es tun werde, bevor ich zulasse, dass du ihnen dies antust.«
    Es folgte ein Moment des Schweigens, in dem alles in der Schwebe hing. Dann ließ sich Wes erweichen. Er grinste sogar ein wenig. Mit der freien Hand klopfte er Will auf die Schulter.
    »Also gut«, sagte er. »Also gut.«
    Sie gingen zurück über die vertraute Straße, und beide schwiegen. Will nahm den Anblick der Hügel und Ebenen der Umgebung in sich auf, prägte sich die Laute und Gerüche ein, sodass sie für immer in ihm gespeichert waren und er sich daran erinnern konnte, wenn ihm danach zumute sein würde. Wes pfiff leise ein Liedchen durch die Zähne; er war ungeduldig und wollte so schnell wie möglich weg.
    Als sie ihr Elternhaus betraten, stand ihre Mutter am Herd, und ihr Vater saß an seinem üblichen Platz beim Kamin. June briet gerade Spiegeleier. Sie wusste, dass nun schließlich doch der Tag gekommen war, vor dem sie sich gefürchtet hatte, seit der erste Schuss in Fort Sumter gefallen war. Jacob verschränkte mit ernster Miene die Arme und wartete.
    »Wir werden heute Morgen gehen«, sagte Wes, als Will sich weigerte, es ihm leichter zu machen und als Erster zu sprechen. »An die Front.«
    June tastete nach einem Stuhl und ließ sich aufseufzend darauf niedersinken. Jacob stand auf, durchquerte den
    Raum und trat vor seine Söhne. Will war fast so groß wie er, Wes hingegen war etwas gedrungener.
    »Willst du das wirklich, Will?«, fragte Jacob mit leiser und doch volltönender Stimme.
    Will schluckte. »Nein, Sir«, sagte er.
    Jacob heftete den Blick seiner dunkelbraunen Augen auf Wesleys Gesicht. »Dann ist alles deine Idee?«
    Wesleys Hals und Gesicht röteten sich. »Es ist das Richtige«, antwortete er.
    Jacob schüttelte nur den Kopf. Dann bohrte sich sein Blick in Wills Augen. »Dein ganzes Leben lang hast du auf deinen Bruder hier aufgepasst. Ich nehme an, du hältst das für deine Pflicht.«
    »Ja, Sir«, sagte Will. Er war den Tränen nahe, und er glaubte, vor Scham zu sterben, wenn er ihnen freien Lauf lassen würde.
    Jacob legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er sa h Wes mit einer Mischung aus Ärger und Kummer an, wandte sich ab und verließ das Haus. Will nahm an, dass sein Vater ein paar Minuten allein sein wollte; das konnte er verstehen.
    Unterdessen hatte June ihre Fassung wiedererlangt, doch sie blickte Will an wie jemand, der sich an die Stücke eines unwiederbringlich zerbrochenen Schatzes klammert. Sie legte einen Arm um Wes, drückte ihn lange an sich und ließ schweren Herzens geschehen, dass sich ihr zweitgeborener Zwillingssohn aus ihrer Umarmung löste und flüchtete, überwältigt von seinen Gefühlen.
    Will trat zu ihr, und sie legte die Hände auf seine Oberarme, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn leicht auf die Wange. »Dein Daddy hat Recht; du hast immer auf Wes aufgepasst«, sagte sie. Tränen glänzten in ihren Augen, und sie schniefte und versuchte zu lächeln. »Ich mag gar nicht daran denken, wie viel du bis zum Erwachsenwerden wegen deines Bruders durchgemacht hast.«
    »Ich werde auf ihn aufpassen, Mama«, versprach er mit belegter, wie erstickt klingender Stimme.
    Sie nickte und streichelte leicht mit den Fingerspitzen über seine Wange. »Vergiss nicht, auf dich selbst aufzupassen.«
    Er küsste sie auf die Stirn, wollte gehen, doch sie hielt ihn fest und zog ihn wieder zu sich heran.
    »Lass nicht zu, dass ihm etwas passiert«, sagte sie.
    Will konnte kein Wort herausbringen; er nickte nur. Dann löste er sich von ihr, ein für alle Mal, und ging zur Tür. Er sah seinen Vater, der zu den Baumwollfeldern schritt - kerzengerade, den Kopf hoch erhoben, die langen, kräftigen Arme an den Seiten schwingend. Wes war bereits auf dem Weg zur Straße; seine wütende Miene und seine ungestümen Schritte ließen darauf schließen, dass er und Jacob unter vier Augen gesprochen hatten, während er, Will, sich von ihrer Mutter verabschiedet hatte.
    Will beeilte sich, seinen Bruder einzuholen.

1
    Springwater, Territorium, Montana, Herbst 1882
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