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Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Titel: Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman
Autoren: dtv
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Gräber, der Karneval, die Musik, die Gwo-Ka-Spieler, die ganz in Rot gekleideten Teufelinnen und andere Tänzer in bunten Kostümen, die sich, während der Rum floss, zum Rhythmus der Bola-Trommeln in den Hüften wiegten. Da waren die Guaven und Mangroven, die kleinen Eilande und Inseln, die dicht unter der Wasseroberfläche dahingleitenden Teufelsrochen, der Korallensaum, die Meerbarben, Zackenbarsche und fliegenden Fische, die Fischer von Les Saintes mit ihren »Salakos« genannten Hüten, die ihre Netze flickten, die vom Ozean gepeinigten zerklüfteten Kalkfelsen an der nördlichen Küste von Basse-Terre und die umso überraschenderen kleinen friedlichen Buchtenund hellen Strände und eine Ségolène, die in der Brandung eines Meeres, so türkisfarben wie ihre Augen, badete, und eine Sonne, die es kaum erwarten konnte, sie zurückzuerobern, sobald sie als neugeborene Venus wieder auftauchte und leichtfüßig den Strand betrat, nackt und dennoch keusch, während das Wasser auf ihren Brüsten perlte und über das flaumige Gold ihres Bauches rann.
    Bilodo träumte und sehnte sich nach nichts anderem; er wollte nur weiterhin die köstlichen Träume und ekstatischen Visionen, die Ségolènes Worte in ihm heraufbeschworen, auskosten. Sein einziger Wunsch war, dass dieser angenehme Status quo anhielt, dass nichts seinen Seelenfrieden störte. Und so war es auch, bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem sich der Unfall ereignete.

5
    Es geschah an einem stürmischen Morgen Ende August. Der Himmel war bleiern und grollte in der Ferne, ohne sich entscheiden zu können, sein Herz auszuschütten, was Bilodo jedoch nichts weiter ausmachte, da er der Undurchlässigkeit seines strapazierfähigen dienstlichen Regenmantels vertraute. Mit entschlossenen Schritten, die sich durch den grauen Tag keineswegs beirren ließen, lief er, eine Treppe nach der anderen bezwingend, die Rue des Hêtres entlang. Plötzlich stieß er auf seinen Freund Robert, der gerade dabei war, den Inhalt eines Briefkastens in seinen Lieferwagen zu befördern. Eine solche Begegnung war selten, denn die Leerung besagten Kastens erfolgte gewöhnlich, bevor Bilodo dort vorbeikam, und Robert erklärte, er habe nach einer wilden Nacht mit einer gewissen Brenda, einem Traum von einem Mädchen, das er in einer Bar getroffen habe, verschlafen. Nach der Begrüßung und den üblichen Freundschaftsbekundungenwollte Bilodo eigentlich seinen Weg fortsetzen, doch Robert hielt ihn zurück, da er noch etliches über seine neue Flamme zu berichten hatte, und schlug Bilodo ein Treffen zu viert vor, noch am selben Abend, mit Brenda und ihrer in erotischer Hinsicht höchst vielversprechenden Freundin. Bilodo seufzte, denn die Beharrlichkeit, mit der Robert eine Blondine für ihn aufzutreiben versuchte, ging ihm auf die Nerven. Der Kollege missbilligte sein nicht enden wollendes Zölibat, das er als unhygienisch erachtete, und hatte ihm den ironischen Spitznamen »Libido« gegeben. In der Rolle des Kupplers, die er sich angemaßt hatte, versuchte Robert, Bilodo mit allem, was sich bewegte, zusammenzubringen, indem er ihn ohne sein Wissen bei Online-Partneragenturen registrierte und in angesagten Magazinen unter seinem Namen unverblümte Annoncen mit seiner Telefonnummer veröffentlichte. All das widerstrebte Bilodo, der, wenn es klingelte, nicht mehr ans Telefon zu gehen wagte und dessen Anrufbeantworter ständig überlastet war, doch nahm er es Robert nicht wirklich übel, da er wusste, dass dieser es nur gut mit ihm meinte. Robert übertrieb wie immer, das war typisch für ihn, aber trotzdem war er doch sein bester Freund. Bilodo bemühte sich, ihn als den zu schätzen, der er war, mit seiner vulgären Art, seinem Egoismus, seiner Scheinheiligkeit, seinem Opportunismus, seinem Drang zu Übertreibungen und seinem schlechten Atem. Aber so bereitwillig er Robert diese kleinen charakterlichen Schwächen auch nachsehen mochte, so war ihm doch dieVorstellung einer solchen aufs Geratewohl inszenierten Orgie, zu der man ihn einlud, ein Graus. Da Robert sich nicht gern eine Abfuhr erteilen ließ, musste er sich rasch einen triftigen Grund einfallen lassen, eine Ausrede, die plausibel klang, und damit war er gerade befasst, als das Unwetter losbrach.

    Über ihnen krachte ein Donnerschlag, als öffnete sich eine gigantische Chipstüte, und der Himmel riss auf. Es regnete in Strömen, sodass man nur noch ein paar Meter weit sehen konnte. Robert beeilte sich, den Postsack in den
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