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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April
Autoren: Susanne Preusker
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Stunden gedauert, in denen Frau Bäcker-Rode keine Sekunde in ihrer Aufmerksamkeit nachgelassen hat. Ich weiß nicht, was sie an diesem Tag noch gemacht hat. Ich bin jedenfalls im Anschluss nach Hause gefahren, habe mich trotz Navi und relativ guter Ortskenntnisse verfahren, mich mit meinem Mann gestritten und wortlos und sauer Sauerfleisch zubereitet. Ich war am Ende. Mal wieder. Schon wieder.
    Frau Bäcker-Rode ist geduldig mit mir, aber nie schonend, ich schäme mich nie vor ihr, aber manchmal verwünsche ich ihreDirektheit, ihre Unerbittlichkeit, ihre eiserne Härte im Kampf gegen die Dämonen in meinem Kopf, in meinem Herzen, in meiner Seele. Ich weiß, sie würde nie etwas tun, was mir schadet. Ich weiß aber auch, sie würde nie etwas tun, was mir nichts nützt. Und da macht sie keine Kompromisse.
    Wir waren zusammen im Kaufland. Kaufland – mein Lieblings-Supermarkt, den ich in meinem neuen Leben noch nie alleine betreten hatte. Das war aus mehreren Gründen schlecht: Zum einen gibt es nur im Kaufland Utensilien für die gehobene asiatische Küche, zum anderen gibt es nur im Kaufland diese hochinteressanten Tchibo-Artikel, die kein Mensch braucht, aber jeder haben will. Ich auch. Außerdem konnte ich doch nicht allen Ernstes meiner Angst gestatten, mir den Zugang zu einem Supermarkt zu verwehren.
    Andererseits: Kaufland ist ein großer, ein sehr großer Laden. Notausgänge sind vorhanden, doch, so scheint es, abgeschlossen. Wie sollte es auch anders sein – sonst könnte ja gleich ein Plakat aufgehängt werden: Ladendiebe nebst Beute bitte hier entlang. Immer nur ein Dieb pro Ausgang, bitte!
    Das Schlimmste war aber, dass sich direkt am Eingang eine große Verkaufswand mit Sekundenkleber, Modellkleberfläschchen und allerlei anderen Dingen für den Bastelbedarf befand. Dort vorbeizugehen hieß, den Überblick zu verlieren. Dort vorbeizugehen bedeutete, eine Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen altem und neuem Leben. Ohne Chance, im alten zu landen, wenn ich fiel.
    Sekundenkleber, Modellkleberfläschchen, buntes Klebeband – geradezu lächerlich alltägliche Gegenstände, die ihre Unschuld in dem Moment verloren hatten, als der, der mir mein altes ­Leben genommen hat, mich damit bedrohte. Dort vorbeizugehen hieß daher, das Watte-Gefühl durch den Laden tragen zu müssen, die Folie zwischen mir und allen anderen Menschen.Zwischen mir und dem Reis, den Nudeln, dem Käse, der Zahnpasta, dem Bier. Das Watte-Gefühl und die Angst, den Verstand und die Kontrolle zu verlieren, in der Warteschlange an der Kasse.
    Frau Bäcker-Rode und ich waren im Kaufland. Lange. So lange, bis ich den Überblick wiedergefunden hatte. Wir standen vor dem Regal mit den Allesklebern und vor dem mit den asiatischen Lebensmitteln. Wir standen vor den Tchibo-Sachen und vorm Klopapier. Wir standen so lange in dem Laden herum, bis ich mich fragte: »Was, um Himmels willen, tust du hier eigentlich?« Bis es mir einfach zu blöde wurde. Seit diesem Tag war ich noch oft alleine dort und habe eingekauft. Es ist nicht immer einfach, aber es wird immer einfacher.
    Und gemeinsam mit Frau Bäcker-Rode habe ich Stunden im Parkhaus verbracht, bin rein- und rausgefahren, habe eingeparkt, ausgeparkt, immer wieder. Bis mir auch das zu blöde wurde. Ich fahre immer noch nicht gerne in Parkhäuser. Das war in meinem alten Leben so. Und so wird es auch in meinem neuen bleiben.
    Monate später:
    »Sind Sie Opfer oder Überlebende?«
    »Schwere Frage. Ich glaube, irgendwo dazwischen.«
    Frau Bäcker-Rode ist mein Coach in diesem neuen Leben. Gut, dass sie keine Kompromisse macht, denn nur so kann sie mich lehren, mutig zu sein. Immer wieder einfach nur mutig. Bis es mir dann zu blöde wird.
    Leider habe ich Frau Bäcker-Rode bis jetzt noch nicht gefragt, ob sie Kartoffelpuffer mag, aber ich glaube, das tut sie.

Kartoffelpuffer machen dick
    In den Kartoffelpufferteig gehört nichts außer Kartoffeln, Eier, Zwiebeln, Haferflocken und Salz. Vielleicht etwas Pfeffer. Nichts anderes, kein Mehl, keine Gewürze. Nichts. Und als Beilage zu Kartoffelpuffern kommt nichts anderes infrage als Apfelmus oder, beide Augen zugedrückt, bestenfalls noch Heidelbeerkompott. Zuckern der Puffer gehört gesetzlich verboten, Lachs, Crème fraîche und dieser ganze andere modische Unsinn ebenfalls. Die Kartoffeln sind per Hand zu reiben, nur ­Dilettanten, faule Säcke oder kulinarische Analphabeten benutzen Küchenmaschine oder Pürierstab. Der Erwerb tiefgefrorener
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