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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
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…« Mehr bekam sie nicht heraus. Der Schock saß zu tief. Sie hatte ihre Welt verlassen, ohne es körperlich zu empfinden, und nun war sie … anderswo.
    Mitten in der Anderswelt.
    Und ihre Befürchtung erwies sich als richtig: Um sie herum herrschte Krieg.
    Auf Teppich und Mistelzweig schwebten Kyra und Dea über den Zinnen einer mächtigen Festung aus dunklem Stein. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Kyra, dass die Mauern früher einmal weiß gewesen sein mussten – die schmutzige Schwärze rührte von zahllosen Rußflecken, wo Feuerkugeln oder andere, vielleicht magische Geschosse von der Festung abgeprallt waren.
    Das Gemäuer bestand aus einem gewaltigen runden Turm, um den sich mehrere zinnengekrönte Mauerringe zogen. Er erhob sich auf einer Insel, deren Ränder mit dem äußeren Mauerwall abschlossen – sie war genauso groß und rund wie die Festung selbst. Das Eiland wiederum lag in der Mitte eines Sees, an dessen Ufern zahllose Zelte mit schwarzen Wimpeln errichtet worden waren – das Lager der Feinde, Morganas Armee. Sie hatte den See komplett umzingelt.

Kyra blickte noch immer staunend über die dicht bewaldete Landschaft, die sich nach allen Seiten ins Endlose erstreckte, als Dea plötzlich einen Warnruf ausstieß.
    »Kyra! Pass auf!«
    Kyra blickte erschrocken auf und sah, dass ihre Verfolger über ihnen vom Himmel herabfuhren, ein Regen aus Nymphen, denen es in ihrer maßlosen Wut kaum noch gelang, ihr menschliches Äußeres aufrechtzuerhalten. Und warum auch? In der Anderswelt war ihre Tarnung nicht nötig. Immer mehr von ihnen kehrten in ihre ursprüngliche Gestalt zurück, schwarze Kreaturen aus Hornpanzern, mit knochigen Spitzen und Krallen wie Schwertklingen. Sie schwebten etwa zwanzig Meter über Kyra und Dea am Himmel – in der Anderswelt herrschte ewiger Tag, deshalb war der Himmel hier blau, und die Sonne schien –, genau an jener Stelle, an der das Portal die beiden ausgespien hatte.
    Doch jetzt erkannte Kyra auch, dass Dea sie nicht vor Morganas Wassergeistern gewarnt hatte – vielmehr waren auf den Zinnen eines Wehrgangs rund um den Festungsturm drei Dutzend Bogenschützen aufgetaucht. An ihren Sehnen lagen Pfeile, die in einem unirdischen Licht aus sich selbst heraus glühten. Ehe Kyra sich versah, umgab sie ein Hagel dieser Geschosse, ein Sturm aus flirrenden Pfeilbahnen, die sie entfernt an Laserstrahlen in Sciencefictionfilmen erinnerten. Doch keiner dieser Zauberpfeile kam ihr nahe, und als sie ihrer Flugrichtung nachblickte, erkannte sie, dass jeder einzelne ins Ziel traf: Die Wassergeister zerflossen im Flug, platzten in schillernden Fontänen und regneten auf den See und die Festung hinab. Innerhalb weniger Augenblicke war keiner ihrer Verfolger mehr am Leben.
    »Habt Dank!«, rief Dea zum Turm hinab und winkte.
    Einer der Männer, gekleidet in ein mittelalterliches Lederwams und einen Umhang aus goldenem Herbstlaub, hob den Arm zum Gruß und rief etwas, das Kyra nicht verstehen konnte. Sie fragte sich, welche Sprache die Menschen hier benutzten – so es denn überhaupt gewöhnliche Menschen waren, was Kyra arg bezweifelte.
    »Werden wir die Dame vom See treffen?«, fragte sie.
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Nicht heute. Es mag nicht so aussehen, aber die Festung steht kurz vor der Niederlage. Die Belagerung dauert jetzt schon fast drei Jahre. Nimues Untertanen sind nahe daran, aufzugeben. Wir müssen uns Morgana umgehend zum Kampf stellen.«
    »Sofort?« Kyra rutschte das Herz in die Hose. Bislang war ihr Ausflug in die Anderswelt nur ein farbenprächtiges Abenteuer, und sie war keineswegs überzeugt, dass es sich nicht doch um einen Traum handelte, der sie zu Hause, in ihrem warmen Bett in Giebelstein, heimsuchte. Doch die Aussicht, es nun tatsächlich mit einer der mächtigsten Zauberinnen aufzunehmen, führte ihr abermals vor Augen, wie ernst die Lage war.
    Dea brauchte sie jetzt. Nimue und die anderen brauchten sie.
    Sie musste nur fest genug daran glauben, nicht wahr? So lief das doch in Märchen: Mut und Überzeugung zwingen letztlich jeden Gegner in die Knie.
    Nur dass dies kein Märchen war, sondern – irgendwie jedenfalls – die Wirklichkeit. Vielleicht eine andere Facette davon, aber nichtsdestoweniger die Wirklichkeit.
    »Was hast du vor?«, fragte sie in Deas Richtung.
    »Nimue wird von der Festung aus einen magischen Schild um uns weben. Und dann werden wir Morgana herausfordern – zu einem Duell, das sie mir schon vor langer, langer Zeit
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