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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten
Autoren: Kai Meyer
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zurück auf den Boden gesprungen wäre.
    Aber natürlich blieb sie sitzen und kniff für einen Moment die Augen zusammen. Dann jedoch siegte ihre Neugier. Als sie die Lider wieder öffnete, erkannte sie, dass sie und Dea sich inmitten einer Art ovaler Blase befanden, die aus der Zimmerdecke und dem darüber liegenden Dach gebildet wurde. Beides bog und dehnte sich wie Gummi, ohne dass auch nur ein Balken splitterte oder eine Dachziegel abfiel. Genau wie eine Kaugummiblase wurden Dach und Decke halb durchsichtig, während sie sich weiter und weiter wölbten, hoch über die Mauern des Gebäudes hinaus, bis Kyra die Umgebung des Museums erkennen konnte, gesprenkelt mit hellen Schemen. Die Nymphen wimmelten wie Ameisen umher, ganz aufgelöst vor Aufregung. Kyra wusste nicht, welcher Art die Macht war, die die Zerstörung der Hexengegenstände freisetzte, doch sie schien groß genug zu sein, um gehörige Verwirrung unter den Wassergeistern auszulösen.
    Kyra und Dea schwebten jetzt genau in der Mitte der Blase, die sich rund zehn Meter hoch über dem Museum erhob. Kyras Finger klammerten sich an den Rand des dünnen Teppichs. Sie spürte, wie ihr schlecht wurde. Normalerweise hatte sie keine Höhenangst, aber das hier drohte doch, ein wenig viel für ihren Magen zu werden. Der Teppich war höchstens zwei Meter lang und eins fünfzig breit – nicht viel, wenn es das Einzige war, was sich zwischen einem selbst und einem tödlichen Abgrund befand.
    »Er hält dich fest«, sagte Dea über das Heulen der Nymphen hinweg, die wie ein Haufen Leuchtkäfer um das Museum schwärmten.
    » Wer hält mich fest?«
    »Na, der Teppich, natürlich. Wie ein Magnet. Er könnte einen Looping mit dir fliegen, und du würdest nicht herunterfallen – das heißt, natürlich nur solange er nicht zerknüllt wird.«
    »Bist du sicher?« Kyra betrachtete zweifelnd das zerschlissene Gewebe unter sich.
    »Versuch mal aufzustehen«, schlug Dea vor, während sich die sonderbare Blase aus verzerrten Dachbalken und Schindeln um sie herum weiter ausweitete und dabei immer durchsichtiger wurde.
    »Aufstehen?«, stieß Kyra aus. »Kommt gar nicht in Frage.«
    »Probier’s einfach mal aus.«
    Kyra holte tief Luft, dann versuchte sie unendlich langsam, sich aus dem Schneidersitz zu erheben. Sie bekam nicht einmal die Beine auseinander. »Geht nicht«, sagte sie erleichtert.
    »Siehst du. Dir kann nichts passieren – es sei denn, der Teppich würde Feuer fangen oder vielleicht mit einem Faden an einer Turmspitze hängen bleiben … Regen ist auch nicht gerade ideal für ihn. Er ist eigentlich für ein anderes Klima gewebt worden. Trockene Wüstenluft, du weißt schon.«
    Das alles klang nicht gerade beruhigend, doch Kyra blieb keine Zeit mehr, sich nach weiteren Macken ihres neuen Fluggerätes zu erkundigen. Die Blase hatte jetzt ihre größtmögliche Ausdehnung erreicht, ein Ballon kurz vor dem Platzen.
    »Gleich wird sie sich öffnen, und die Energie der verbrannten Hexenutensilien wird gebündelt austreten«, erklärte Dea hastig. »Die Nymphen werden einen Augenblick lang außer sich sein. Die Zeit muss reichen, damit wir von hier verschwinden können.«
    »Ich dachte, sie spüren es jetzt schon«, sagte Kyra.
    »Tun sie auch. Aber sie haben im Moment keine Möglichkeit, dagegen anzugehen.«
    »Werden sie dann nicht noch wütender?«
    »Nachdem sie sich erholt haben – sicher! Bis dahin müssen wir über alle Berge sein.« Dea schaute sich noch einmal prüfend um. Die Blase war jetzt fast unsichtbar, so straff spannten sich ihre Wände. »Ich zähle bis drei, dann geht’s los.«
    »Okay.«
    »Eins.«
    Im oberen Teil der Blase bildete sich eine Wölbung wie ein riesiger Kussmund.
    »Zwei.«
    Die Wölbung klaffte auseinander. Kyra spürte, wie sie und Dea davon angesaugt wurden.
    »Drei.«
    Der wabernde Blasenmund spuckte sie hinaus in die Nacht, in einer Wolke aus Funken und Rauch und etwas anderem, das Kyra nicht sehen, sehr wohl aber fühlen konnte. Das musste die mysteriöse Energie sein, von der Dea gesprochen hatte.
    Wie von einem Katapult geschleudert, schossen sie ins Dunkel, so rasend schnell, dass Kyra nur noch aus dem Augenwinkel sah, wie unter den Nymphen das Chaos ausbrach. Jene Wassergeister, die sich beim Öffnen der Blase in der Luft befunden hatten, schwirrten in engen Kreisen und Spiralen auf und ab, so als hätten sie keine Kontrolle mehr über ihre Flugbahnen. Die Nymphen am Boden aber kauerten sich wie weinende Kinder zusammen,
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