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Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween

Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween

Titel: Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween
Autoren: Kai Meyer
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Tür zerbarst. Die rechte Hälfte stand schräg nach innen. Durch die entstandene Öffnung tastete sich eine knöcherne Hand, kroch auf dürren Fingern wie eine Vogelspinne.
    Strafe, hallte es von den Wänden wider. Strafe, Strafe, Strafe.
    Kyra warf den Stab beiseite und packte die Beinstränge der Alraunenwurzel. Einmal noch schaute sie kurz in ihr eigenes, kleines Gesicht aus Wurzelhaut, dann brach sie die Alraune auseinander.
    Der Schrei des Direktors war unerträglich. Kyra ließ die Wurzelhälften fallen und presste beide Handflächen auf ihre Ohren. Mara krümmte sich, als hätte ihr jemand mit der Faust in den Magen geschlagen.
    Die graue Hand, die durch den Türspalt hereinragte, streckte blitzartig ihre Finger und krampfte unkontrolliert. Einen Augenblick später wurde sie zurückgezogen.
    Das schmerzerfüllte Kreischen brach ab, und ein leises Rascheln entfernte sich draußen auf dem Korridor.
    »Er zieht sich zurück«, stieß Mara triumphierend aus.
    Kyra nickte. »Wunden lecken.«
    Mara bückte sich und hob die Wurzelhälften vom Boden. Kyra beobachtete sie, unsicher, wie das andere Mädchen reagieren würde. Was sie in Händen hielt, war vermutlich das Ende ihrer Träume von Hexerei und Zauberkraft.
    Aber Mara verriet mit keinem Zucken, was sie beim Anblick der zerstörten Wurzel empfand. Vielmehr führte sie das winzige Wurzelgesicht näher vor ihre Augen und musterte es eindringlich.
    »Es schreit«, sagte sie schließlich.
    »Hm?«, machte Kyra verwundert.
    »Hier, schau’s dir an.« Sie reichte Kyra die Wurzelhälfte mit dem kleinen Kopf.
    Mara hatte Recht. Kyras Gesicht auf der Wurzel war schmerzverzerrt, ihr Mund weit aufgerissen – so als sei ein lebendes Wesen bei vollem Bewusstsein in zwei Hälften zerrissen worden.
    Kyra schüttelte sich und schleuderte die Alraune angewidert in die Dunkelheit.
     
    Lisa saß auf einer der Schulbänke, hatte die Beine angezogen und die Arme um ihre Knie geschlungen. Ihr war klar, dass der Direktor sie bestrafen würde, wenn er sie so erwischte. Allerdings würde das, was sie und Toby entdeckt hatten, ihnen helfen, ihrem Gegner zuvorzukommen.
    Toby hockte ihr gegenüber, eine Bankreihe weiter. Gemeinsam blickten sie auf den Boden zwischen den Tischen. Schweißperlen glänzten unter dem Rand von Tobys Baseballmütze; er schwitzte nicht, weil ihm warm war, sondern vor Aufregung über ihre Entdeckung.
    Zwischen ihnen befand sich die Stelle, wo der Direktor erschienen und wieder verschwunden war. Der Steinboden des höllischen Klassenzimmers hatte sich an dieser Stelle verändert, auf einer Fläche von etwa einem Meter mal einem Meter.
    Der Stein sah hier aus, als wäre er geschmolzen. Seine Oberfläche wirkte auf den ersten Blick wie ein Spiegel, schimmernd und durchscheinend. Doch wenn man hineinsah, schaute einen nicht das eigene Gesicht an. Stattdessen blickte man geradewegs von oben auf den Direktor hinab, der in seinem schwarzen Gewand durch die Korridore der Schule streifte – es war wie das Bild einer Kamera, die über dem Kopf des Direktors schwebte und ihm auf Schritt und Tritt folgte.
    »Glaubst du wirklich, wir sehen rechtzeitig, wenn er hierher zurückkommt?«, fragte Toby.
    »Ich will’s hoffen«, erwiderte Lisa. »Außerdem erfahren wir so vielleicht, wie es um Kyra und die beiden Jungs steht.«
    Lisa und Toby hatten mit angesehen, wie der Direktor die Mädchen durch das Erdgeschoss der Schule bis ins Kürbiszimmer gejagt hatte. Sie wussten nicht, was im Zimmer vorgefallen war, aber sie hatten sehr wohl erkennen können, dass der Direktor keineswegs einen Sieg davongetragen hatte. Erst hatten sie befürchtet, er würde zurückkehren und seine Wut an ihnen auslassen – und, liebe Güte, er war wirklich verdammt wütend gewesen, als er die Tür des Kürbiszimmers einschlug.
    Allerdings hatte sich diese Angst als unbegründet erwiesen, denn vor wenigen Minuten war etwas Merkwürdiges geschehen: Der Kopf des Direktors war durch den mysteriösen Spiegel gestoßen wie durch die Oberfläche eines Gewässers, und sein Gesicht hatte sich verzerrt vor Schmerz und Zorn. Doch irgendetwas hatte ihn zurückgezogen, und er war wieder im Boden verschwunden. Etwas hatte verhindert, dass er das Klassenzimmer betrat, beinahe, als hätte ihn mit einem Mal die Zauberkraft verlassen, mit deren Hilfe er zwischen der Schule und diesem Ort zu wechseln vermochte.
    Aber bedeutete das auch, dass sie tatsächlich vor ihm in Sicherheit waren? Und was sollte nun aus ihnen
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