Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben
Autoren: A Aschberg
Vom Netzwerk:
war während der Taxifahrt zum Flughafen noch ein dringender Call angesetzt.
Aber die Zeit zwischen Check-In und Boarding war unverplant. Schön.
    Um den Tag morgen zu überstehen, war die Idee, dass ich mich
heute abend zumindest auf die wichtigen Gespräche noch ein wenig vorbereitete.
Was ein wichtiges Gespräch war, entschied meine Sekretärin weitgehend autonom.
Ich konnte ihre Entscheidung daran erkennen, dass sie in diesem Fall eine
Information zum Gesprächspartner oder zum Sachstand beifügte.
    Ich nahm ein erstes Schriftstück aus meiner Mappe, aber mein
Blick blieb an dem offenen Doppelfenster im Erdgeschoß hängen. Den gigantischen
Ventilator, der anscheinend in diesem Zimmer am Werke war, konnte man von
meinem Platz aus nicht sehen, aber man konnte ihn wie gesagt hören, und ein
Stück Schlagschatten rotierte immer wieder wie ein wildgewordenes Hamsterrad
die Zimmerdecke entlang. Ich nahm daher an, dass der Ventilator auf dem
Fußboden stand, und fragte mich gleichzeitig, ob das wohl wichtig war.
    Ein junger, blonder Mann durchquerte das Zimmer und geriet
für einige Augenblicke in mein Blickfeld. Damit geriet er auch in den Bannkreis
des unsichtbaren Ventilators, jedenfalls standen seine Haare plötzlich
senkrecht nach oben, und er sah aus wie Bart Simpson. Interessanterweise schien
das den Mann nicht weiter zu stören. Er hatte eine ähnlich schmächtige Statur
wie Bart Simpson, so dass man eigentlich Angst haben mußte, dass es ihn einfach
wegwehte, durch das geöffnete Fenster hinaus zu mir in den Hof, aber er
stapelte in aller Seelenruhe einige schwere Bücher in ein Regalfach, das offenbar
nur zu erreichen war, wenn man sich direkt vor der Windmaschine postierte.
    Nach einer Weile verschwand Simpson wieder aus meinem
Blickfeld, und ich wandte mich meiner Unterlage zu.
    Eine junge Blondine betrat den Hof. Ich nahm an, dass es
sich um eine Mutter handelte, denn sie schob einen sportlichen Alu-Buggy vor
sich her, in dem ein fröhlich krähender kleiner Piepmatz saß. Blaue Augen,
blonde Locken, rosa Schleife im Haar – bis auf die Schleife ganz die Mutter.
Ich überlegte, ob ich mir einen besonderen Platz ausgesucht hatte, von dem aus
man nur blonde Leute sehen konnte.
    Die Blondine mit dem Kinderwagen war äußerst geschmackvoll
gekleidet, verfügte über eine ansprechende Figur und einen anmutigen Gang, der
unmißverständlich signalisierte, dass sie sich dieser ansprechenden Details äußerst
bewußt war.
    Ich ließ sie nicht aus den Augen, wie sie so den Hof
überquerte. Sie gab es durch nichts zu erkennen, aber ich hätte wetten können,
dass sie meine Blicke mit Befriedigung registrierte. Sie wußte um ihre Wirkung,
das war für sie wahrscheinlich zur Selbstverständlichkeit geworden.
    Mich verwirrten diese Signale unterschwelliger, latenter
Paarungsbereitschaft ein wenig, weil die archaischen Schichten meiner
Kleinhirnrinde, die für diese Art von biologischer Signalverwertung zuständig
waren, den Kinderwagen da irgendwie nicht richtig einordnen konnten. Wenn ich
Heidi Klum im Fernsehen über eiserne Selbstdisziplin und knallhartes Mode-Business
dozieren hörte, während sie sich lasziv eine eigens zu diesem Zweck eingeföhnte
Kunsthaarsträhne aus der Stirn strich, erging es mir ähnlich.
    Wahrscheinlich lag das an meinem archaischen Kleinhirn, das unmodern
war, nicht mehr in die Zeit paßte und völlig überreagierte. Also gab ich mir
einen Ruck und konzentrierte mich auf die Blondine im Kinderwagen.
    Ich hatte Kinder ganz gern und mußte geradezu zwanghaft
lächeln, wenn ich ihnen ins Gesicht sah. Wahrscheinlich trug auch dafür eine
von diesen tieferliegenden Hirnregionen die Verantwortung.
    Die Kleine lächelte zurück. Ich setzte noch einen drauf und
zog ein paar alberne Grimassen. Jetzt gluckste die Kleine, was mir als Bonus den
ersten direkten Blickkontakt mit ihrer Mutter einbrachte und zumindest ein
kurzes, unverbindliches Lächeln.
    „Du bist aber süüüß“, ließ ich mich hinreißen, ganz der
knallharte Manager, der unbeeindruckt von allen Ablenkungen einen wichtigen
Termin vorbereitet.
    Das schien der Kleinen jetzt weniger zu gefallen. Ihr
Näschen verkrumpelte sich abweisend, um sich dann aus heiterem Himmel in einem
gigantischen Nieser in meine Richtung zu entladen. Es war interessant, wieviel
klebrige Flüssigkeit in so ein kleines Näschen paßte, jedenfalls hätte ich
vorher nicht vermutet, in welch erstaunlich hohem Grade eine Mappe mit
Unterlagen davon in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher