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Sie haben sich aber gut gehalten!

Sie haben sich aber gut gehalten!

Titel: Sie haben sich aber gut gehalten!
Autoren: Lilli Beck
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vor der Tür stand. (Mama ist ja immer zu Hause.) Da wusste ich irgendwie schon, dass mein Filius nicht
zufällig in der Nähe
war und
nur mal nachsehen
wollte, wie es mir geht. Nicht an einem Mittwochnachmittag, an dem weder er noch ich Geburtstag hat.
    «Also?», seufze ich. «Wie viel brauchst du?»
    «Mama!», entrüstet er sich.
    «Reicht der Unterhalt deines Vaters nicht aus?», frage ich arglos, als wüsste ich nicht, wie hoch die Unterstützung ist. Andererseits finde ich es völlig normal, dass ein junger, lebenslustiger Student am Ende des Monats in Geldnöten ist. Daher stecke ich meinem Sohn auch immer mal wieder einen Fünfziger zu – wenn er mir schon Blumen spendiert.
    Charlie runzelt die Stirn. «Es geht nicht um Geld.»
    Nicht? Sofort schlägt mein Mutterinstinkt Alarm. Wenn er nicht pleite ist, muss es wirklich was Ernstes sein. «Charlie, was ist los?», frage ich besorgt.
    Eine Wespe landet auf seinem Kuchenteller. Fasziniert beobachtet er, wie sich das gelb-schwarze Insekt über die Krümel hermacht. Als Kind hatte er panische Angst vor allem, was summt und stechen könnte. Und nun? Er will kein Geld, hat keine Angst mehr vor Insektenstichen, sondern sorgt sich stattdessen um seine Kindheitserinnerungen?
    Sehr seltsam!
    «Das Gleiche könnte ich dich auch fragen, Mama», entgegnet er. «Ich meine, du hast dich doch gut gehalten und –»
    «Worauf willst du hinaus?», frage ich gereizt.
    «Weißt du, was dein Problem ist, Mama?», doziert er weiter. «Du wirst bald fünfzig und bist frustriert, weil du die Wechseljahre auf dich zukommen spürst.»
    «Wie bitte?» Meine Stimme überschlägt sich. Geht’s noch?! Erst macht er einen auf Lieber-Sohn-kommt-mit-Blumen-vorbei, und dann wirft er mir solche Unverschämtheiten an den Kopf? Nach und nach von seinen Kindern verlassen zu werden, ist hart genug und erfordert eine Menge Kraft. Doch von seinem eigenen Sohn gesagt zu bekommen, dass man alt wird, ist schlimmer als jede neue Falte im Gesicht. Verletzt gehe ich zum Gegenangriff über. «Studierst du nebenbei vielleicht auch noch Medizin?»
    «’tschuldigung», lenkt Charlie sofort ein. «Ich wollte nicht unhöflich sein. Aber Frauen in deinem Alter brauchen eine neue Aufgabe, sonst werden sie … wunderlich. Du bist zu viel allein, Mama. Vielleicht solltest du dir wieder einen Hund anschaffen oder eine Katze, anstatt mit Papa unser Zuhause zu verscherbeln.»
    «Zu viel allein, so, so … Ein neues Haustier, ja? Und du glaubst, das hilft?»
    «Wäre doch schön, wenn du jemanden bei dir hättest. Jemanden, für den du sorgen könntest.» Er legt den Kopf schief, als wäre er selbst ein kleines Hündchen.
    Ich winke energisch ab. «Also, ich möchte weder einen Hund noch eine Katze. Das bedeutet nämlich Verpflichtungen, wie du dich vielleicht erinnerst. Wenn es ums Gassigehen mit Wuschel ging, gab es immer Stress. Vor allem bei schlechtem Wetter. Außerdem habe ich dir doch gerade erklärt, warum wir das Haus verkaufen. Anschließend will ich mit Suse erst mal Urlaub machen und mir danach einen Job suchen.»
    «Du willst arbeiten?» Charlie blickt mich an, als hätte ich verkündet, allein die Wüste durchqueren zu wollen.
    «Ja, mal sehen, was der Arbeitsmarkt noch so bietet», antworte ich gelassen.
    Nachdenklich rührt mein Ältester in seiner Kaffeetasse. «Mmm, das dürfte schwierig werden, bei der wirtschaftlichen Lage im Moment. Und für Frauen in deinem Alter …» Er stockt. Anscheinend ist ihm aufgefallen, dass er sich schon wieder auf sehr dünnem Eis bewegt. Im Moment frage ich mich allerdings, ob meine gesamte Erziehung für die Katz war. Obwohl ich in den letzten fünfundzwanzig Jahren «nur» Hausfrau und Mutter war, habe ich meinen drei Kindern von klein auf versucht beizubringen, dass das ein Vollzeitjob wie jeder andere ist.
    «Traust du deiner alten Mutter etwa keinen Aushilfsjob zu?», frage ich provozierend. «Oder was hat es mit deiner plötzlichen Sorge um mein Glück auf sich?»
    Vielleicht erfahre ich nun endlich, warum Charlie tatsächlich hier aufgetaucht ist und so gegen den Hausverkauf stänkert. Die Sorge um mein Wohlergehen hat ihn jedenfalls bestimmt nicht aus dem quirligen Uni-Viertel in die «Rentner-Pampa» getrieben, wie er unsere Gegend gerne bezeichnet.
    Noch bevor er antworten kann, unterbricht die Türklingel unser Gespräch. Charlie sieht mich fragend an.
    «Erwartest du Besuch?»
    Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. «Das wird der
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