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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien
Autoren: Klaus Weitzer
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können, muss man sie »verstehen«. Und das bedeutet im naturwissenschaftlichen Weltbild, man muss erklären können, welche Ursachen zu welchen Krankheiten führen. Welche Bedingungen, Störungen, Schädigungen oder Einflüsse haben welche gesundheitlichen Probleme zur Folge?
    Durch die Beantwortung dieser Fragen kann man Konsequenzen für die Behandlung ziehen, das heißt, man kann Möglichkeiten schaffen, die verursachenden Faktoren zu vermeiden und zu beseitigen, die Störung zu beheben und den Schaden zu reparieren. Damit allgemein gültige Aussagen getroffen werden können, müssen Untersuchungen durchgeführt werden, die bestimmte Bedingungen erfüllen. Das zentrale naturwissenschaftliche Kriterium dabei ist die »Objektivität«. Ein Untersuchungsergebnis gilt als objektiv, wenn es nicht vom speziellen Beobachter abhängt, also davon, wer die Untersuchung durchführt. Objektiv bedeutet auch, dass dieselben Ursachen dieselben Krankheiten zur Folge haben, unabhängig vom betroffenen Menschen. Das heißt: Eine bestimmte Schädigung führt zu bestimmten Problemen, ein bestimmter Virus löst eine bestimmte Krankheit aus, ein bestimmter Mangel hat bestimmte gesundheitliche Konsequenzen, ein bestimmtes Verhalten und damit bestimmte belastende Reize sind die Voraussetzung für bestimmte Störungen.
    Damit ist der Weg für die medizinische Forschung vorgegeben: Um Krankheiten erfolgreich behandeln zu können, müssen
ihre Ursachen möglichst genau objektiv bestimmt werden. Dank des technischen Fortschritts kennt man die »Ursachen« für Krankheiten immer exakter und differenzierter. Als der Röntgenapparat erfunden wurde, war zum ersten Mal ein Blick in den lebenden Körper möglich. Heute können Prozesse im lebenden Organismus durch moderne Apparate »live« beobachtet werden. Sogenannte »Bildgebende Verfahren« zeigen geringste Veränderungen an Knochen, Gelenken und im Gewebe, Funktionsstörungen von Organen, im Gehirn und im gesamten Nervensystem. Selbst molekulare und genetische Prozesse können exakt bestimmt, neurologische, biochemische und physiologische Abläufe und Veränderungen gemessen und nachvollzogen werden. Gleichzeitig wird es immer gezielter möglich, diese dann als »Ursache« und »Störung« definierten Tatsachen von außen zu verändern: durch das Zuführen chemischer und natürlicher Stoffe und die Entwicklung geeigneter Medikamente, durch Operationen bis hin zu neurochirurgischen Eingriffen und gezielten therapeutischen Interventionen.
    Das Ergebnis ist unsere »Maschinenmedizin« - eine Medizin, die den Organismus wie eine hochkomplexe Maschine betrachtet. Je besser man über diese Maschine und ihr Funktionieren Bescheid weiß, umso gezielter kann man sie »reparieren« und instand halten, das heißt gesundheitliche Störungen durch Eingriffe von außen - Operationen, Medikamente, »mechanische« Therapien - heilen und vermeiden. Ist es also nur noch eine Frage der Zeit, bis es keine Krankheiten mehr gibt?

Die Trennung von Körper und Psyche - und ihre Wiedervereinigung
    Hier beginnen die Probleme! Eine Konsequenz des naturwissenschaftlichen Denkens ist nämlich nicht nur die Zerlegung des Körpers in immer kleinere Teile, sondern auch die bereits erwähnte Trennung von Körper und Psyche. Denn neben den objektiv messbaren Tatsachen im Zusammenhang mit Krankheiten gibt es da noch die subjektiven Komponenten - das subjektive Erleben, die Gedanken und Emotionen sowohl des Patienten als auch des Arztes und Therapeuten, die das objektive Geschehen begleiten. Jedem ist klar, dass man bei körperlichen Erkrankungen diese »psychischen Faktoren« nicht außer Acht lassen darf. Sie bestimmen, wie sehr der Patient darunter leidet, und niemand, der den Körper behandelt, kann leugnen, dass sie den Erfolg seiner »Reparaturmaßnahmen« beeinflussen. Dennoch spielt die Psyche bis heute bei der Wahl der Vorgehensweise in Behandlung und Therapie höchstens eine Nebenrolle - subjektive Komponenten gelten als »unwissenschaftlich«.
    In der Schmerztherapie beispielsweise führt die Trennung dazu, dass mit Schmerzen zunächst einmal objektive Reize gemeint sind (die sogenannte »Nozizeption«). Wenn nach einer erfolgreichen operativen und therapeutischen Beseitigung dieser Schmerzursachen ein Patient immer noch über
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