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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien
Autoren: Klaus Weitzer
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Schmerzen klagt, werden Schmerzen plötzlich zum subjektiven Erleben und als »psychisch bedingt« erklärt. Viele Betroffene erleben dann, dass ihnen dafür die Verantwortung, um nicht zu sagen »Schuld« zugeschoben wird. Zum Glück gibt es da noch die Psychotherapie, die sich innerhalb der Medizin um den »psychischen Apparat«, wie ihn Sigmund Freud genannt hat, kümmert. Psychologen helfen den Patienten, ihre psychischen Probleme zu lösen und Krankheit und Schmerz »zu bewältigen«. Doch auch die Psychotherapie ist durch das naturwissenschaftliche Weltbild geprägt. Auch sie wird in einzelne Teile
zerlegt - in Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen - und die Forschung ist bemüht, objektive Daten zu erhalten. Zu Beginn der Geschichte der Psychologie in der modernen Medizin konnte man objektiv nur Reize beobachten, die auf den Organismus einwirken, sowie das darauf folgende, unmittelbar beobachtbare »Problemverhalten«. Die Vorgänge im Organismus, die Verarbeitung dieser Reize waren der Beobachtung nicht zugänglich.
    Doch allmählich gelang es immer besser, psychologische Faktoren, die sich als bedeutsam bei Krankheiten herausstellten, »objektiv« (durch Fragebogen oder Verhaltensbeobachtungen) zu erfassen: psychische Belastungen und Ängste, weitere Emotionen, Gedanken oder Erwartungen. Sie werden vor allem durch therapeutische (verbale) Interventionen »repariert«, mit Hilfe derer Einsicht und Bewusstwerdung, Lernund Veränderungsprozesse möglich werden. Auch hier ist die Forschung gerade in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Neurowissenschaften und Hirnforschung zeigen, dass das Nervensystem die Zentrale für die Steuerung aller Lebensprozesse des Organismus darstellt - sowohl der körperlichen als auch der psychischen Erscheinungen .
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    Zur Erklärung ein paar Informationen: Unser Nervensystem wird in der Biologie unterteilt in das »Zentralnervensystem« (ZNS), zu dem Gehirn und Rückenmark gehören, und das »periphere Nervensystem«, das alle Nervenzentren und Nervenfasern meint, die außerhalb des Schädels und der Wirbelsäule im Körper verteilt sind. Zum peripheren Nervensystem gehört auch das »vegetative Nervensystem« (VNS), das unbewusst und scheinbar eigenständig arbeitet, eine Art »Gehirn im Körper« ist und aus dem »sympathischen«, dem »parasympathischen« und dem »enteralen Nervensystem« (auch »Bauchgehirn« genannt) besteht. Die Begriffe »Gehirn« und »Nervensystem« verwende ich mehr oder weniger synonym für das strukturelle Netzwerk,
in dem auf elektrischem und biochemischem (zusammengefasst: bio-elektrischem) Weg alle Informationen aus dem Körper und der Umwelt zusammenlaufen und verrechnet werden, um von hier ausgehend sämtliche Lebensvorgänge zu steuern. Dabei weiß man zunehmend, welche Bereiche für welche psychischen Vorgänge zuständig sind und kennt die bio-elektrischen Prozesse, die subjektiven Erscheinungen wie Angst zugrunde liegen. Mit modernen Geräten kann man beobachten, welche Aktivitäten ablaufen, während ein Mensch etwas Bestimmtes denkt, fühlt oder wahrnimmt und somit auch die für diese Steuerungsvorgänge verwendeten biochemischen Stoffe - Proteine, Botenstoffe, Hormone - identifizieren.
    Die Forschung bewegt sich hier mittlerweile auf der Ebene der Gene. Permanent verkünden die Medien, dass wieder eine Gen-Funktion entschlüsselt wurde. (Ich erinnere mich gut an die Schlagzeile »Faulheits-Gen entdeckt«.) Und man geht davon aus: Je genauer man die Gene eines Menschen kennt, umso besser lassen sich seine Probleme und Krankheiten vorhersagen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Man weiß zum Beispiel, dass beim Rechtshänder die linke Hirnhälfte für Sprache zuständig ist oder dass der Mensch zum Glücklichsein genügend Endorphine braucht. So wird auch die Psyche immer »objektiver« und damit messbarer und »reparierbarer«. Inzwischen freut man sich sogar darüber, dass man sich nun zeitaufwendige psychotherapeutische Behandlungen ersparen kann, da die psychischen Ursachen durch geeignete Medikamente beseitigt werden können.
    Die Praxis sieht leider noch ganz anders aus. In vielen Bereichen ist nach wie vor ein »Entweder-oder-Denken« verbreitet - auch in der Schmerztherapie: Ein Schmerz ist entweder körperlich oder psychischer Art. Wenn
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