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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hungrig nach Liebe – wer weiß das besser als ich?
    Er war zufrieden mit diesen Gedanken, aber sie verdunkelten sich plötzlich, als er weitergrübelte. Was nun, wenn Soja sich wehrte? Wenn sie nicht nach Tobolsk will? Was hat sie vorhin gesagt? Ich will dich! Wohin soll das führen? Soll ich zerrieben werden zwischen zwei Weibern? Ja, was tun, wenn Soja sich weigert? Töten könnte man sie, irgendwo im Sumpf, wo niemand suchen würde. Verschwunden ist sie, würde es heißen, einfach weg, wer weiß, wohin. Soll sie doch bleiben, wo sie jetzt ist, was kümmert's uns? Kommt vielleicht einmal statt auf einem Motorrad mit einem Auto zurück, wenn's der richtige Liebhaber war. Vermißt sie jemand, na? Vorbei ist die Zeit, wo man die Männer hätte anbinden müssen. Soll sie doch beim Teufel wohnen …
    Man könnte auch Svetlana töten, so einfach mit einem Fausthieb. Aus Zorn geschah es, könnte man sagen. Ein so dünnes Hirnschälchen besaß sie, daß selbst eine Schöpfkelle, die vom Bord am Küchenherd fällt, sie hätte erschlagen können. Wer sollte das ahnen, liebe Brüder und Schwestern?! Nur einen ganz leichten Schlag habe ich ihr gegeben, zur Warnung, mich nicht weiter zu beschimpfen. Wie kann man mich verantwortlich machen, wenn die Natur so dünne Schädeldecken fabriziert?!
    Auch das war möglich, gewiß – aber ein Gerichtsverfahren würde es geben mit viel Rederei. Die Nachbarn müßten Zeugen spielen und erklären: Ja, im Hause Masuk gab es öfter Streit, und dann lief Svetlana keifend herum, und Ausdrücke gebrauchte sie wie ein Fuhrmann, dessen Pferd auf die Deichsel scheißt, schon wütend kann man dabei werden, und Lew Andrejewitsch ist ein Mann, dem schnell das Blut in den Kopf schießt, wir alle kennen ihn ja, ist einer von uns. – Dann kam es auf den Richter an, wie er die Lage sah. Ob er sagte: »Geh nach Hause, Genosse …« Oder: »Bleib hier. Fünf Jahre Zwangsarbeit am neuen Kanal!« Daran würde ich zugrunde gehen … nicht an den fünf Jahren, aber an der Tatsache, daß ich mitbauen muß, was wir verhindern wollen. Wer kann das ertragen?
    Nein, einfacher ist es, Soja aus der Welt zu schaffen – falls sie sich weigert, nach Tobolsk zu ziehen.
    Svetlanas schrille Stimme schreckte ihn hoch. Von der Ofenbank war sie aufgesprungen, stand vor ihm, die Hände in die Hüften gestemmt, die nackten Brüste ihm entgegengestreckt, und das goldene Kreuz an dem Kettchen lag über ihrer linken Brustwarze, als habe es sich dort festgeklemmt. Zu jeder anderen Stunde hätte Masuk darüber sehr gelacht. Gesegnet sei die Quelle, hätte er geschrien, und dann wer weiß was getan. Jetzt sah er nur die beiden fahlweißen Klöße und darüber Svetlanas verzerrtes Gesicht.
    »Träumst wieder von deiner gewissenlosen Hündin, was?« keifte sie. »Sieh mich an! Hat sie was anderes als ich? Laß sie zehn Jahre älter sein, dann braucht sie Stahlklammern, um ihre Euter hochzustecken! Gut zwanzig Jahre weiter bin ich als sie … sieh mich an, du Hurenkerl! Hab' ich nicht noch immer einen Körper, über den sich die Sonne freuen kann? Damit du's weißt: Genug Männer gibt es, die mich auf die Seite ziehen wollen. Versucht haben's schon viele, aber immer bin ich dir eine treue Frau geblieben. Nur damit du's weißt, Lew Andrejewitsch … herumhuren ist die einfachste Sache von der Welt. Und du, ausgerechnet du fällst auf dieses Luder herein, vergiftest meine Seele, zerstampfst unsere Ehe. Wo ist sie schöner als ich?«
    »Überall«, gab Masuk zur Antwort. »Bei allem, was man sieht und was man anfaßt! Bist du jetzt zufrieden?«
    Er stand auf, schob Svetlana aus dem Weg und tappte mit schweren Beinen zur Tür. Genau in diesem Augenblick knatterte auf der Straße das Motorrad vorbei; Soja saß mit allem Stolz, den sie hatte, im Sattel, ihr Haar wehte im Zugwind wie eine goldene Fahne, die langen Beine glänzten in der Sonne und die Bluse drückte sich eng gegen ihren Oberkörper, so eng im Wind, als habe sie ihre Brüste hellrot bemalt. Wessen Augen glänzen da nicht bei diesem Anblick?
    »Ha! Da fährt sie!« schrie Svetlana am Fenster und riß die Gardine zur Seite. »Lauf ihr nach, räudiger Hund! Lauf ihr nach! Verflucht sei sie, dieses stinkende Aas!«
    Masuk verließ sein Haus, atmete draußen in der warmen Septemberluft tief auf, strich mit beiden Händen über das Haar, pflückte ein paar dicke Himbeeren vom Strauch, stopfte sie in seinen Mund – das einzige Essen an diesem Tag – und ging die Dorfstraße
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