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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown
Autoren: Hansjörg Anderegg
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Art schleichende Leukämie.«
    »Geld, so einfach«, murmelte Frank und trank einen großen Schluck. »Und dafür hat er Informationen geliefert, nehme ich an, zum Beispiel, dass Tate aussagen wollte.«
    Wie er es sagte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Indirekt hatte der Oberstaatsanwalt Tate auf dem Gewissen. Ein leiser Fluch entwischte ihm.
    »Hör zu, ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir«, sagte Rosenblatt.
    »Ist doch nichts Ungewöhnliches. Also dann, schlaf dich aus.«
    »Schön wär’s. Die Knochenarbeit hat erst angefangen, wie du dir vorstellen kannst.«
    »Du darfst mich jederzeit anrufen, wenn du einen Tipp brauchst.«
    Frank legte grinsend auf. Alles in allem war er ganz zufrieden mit sich und dem Rest der Welt.
     
    Jen vergrub sich nackt in Rebeccas Laken, um ihr näher zu sein. Die Bettwäsche verströmte immer noch etwas vom himmlisch blauen Duft ihres Engels. Nun hatte auch Carmen Tate als Engel ihren Frieden gefunden. Sie glaubte keine Sekunde an solchen religiösen Schwachsinn, dennoch erhoffte sie ein wenig Trost von der romantischen Vorstellung. Lange wälzte sie sich von einer Seite auf die andere, versuchte, sich an die guten Momente zu erinnern, doch alle Bilder, die vor ihrem inneren Auge erschienen, blieben blass und vermochten die Gesichter der drei Frauen nicht zu verdrängen, deren tote Augen sie anstarrten. Ihre Mutter, Rebecca und Carmen klagten sie an, stumm, unübersehbar.
    Sie gab den Versuch auf, vor der Realität zu fliehen. Widerwillig schälte sie sich aus dem Bett, ging ins Wohnzimmer und tat, was sie in diesem Haus noch nie getan hatte: Sie schaltete den Fernseher ein. Die letzten Fanfaren der Erkennungsmelodie von ›Rant at Ten‹ verhallten. Die stechenden Augen der Ratte erschienen in Großaufnahme auf dem Bildschirm. Die Kamera fuhr langsam zurück, zeigte Zach Rant in seiner vollen Pracht, wie er vor dem Moderationspult stand.
    »Ich stehe hier und heute vor Ihnen, liebe Zuschauer, weil mich Erschütterung und Wut über die Ereignisse in Kalifornien in keinem Sessel halten. Mir geht es wie den Millionen anständiger Bürger dieses wunderbaren Landes, die nicht fassen können, mit welcher Unverfrorenheit und kriminellen Energie, mit welch unmenschlichem Zynismus die Cyberterroristen ans Werk gegangen sind. Ich finde keine Worte, meine Abscheu über diese Taten auszudrücken. Aber eines ist jetzt auch dem letzten Träumer klar geworden: Ein brutaler Cyberkrieg ist im Gang. Der Blackout hat das Leben unschuldiger Menschen gefordert, unzählige Geschäfte braver Bürger in den Ruin getrieben und den Staat, und damit die Steuerzahler – uns alle! – Milliarden gekostet. Was sage ich; die Folgen sind noch gar nicht abschätzbar! Wir wissen jetzt: Dieser Blackout war das teuflische Werk von professionellen Cyberkriegern, die vor nichts zurückschrecken. Machen wir uns nichts vor: Der Krieg ist von langer Hand vorbereitet worden, die Täter verfügen über modernste Waffen. Amerika hat keine Wahl. Unser Land befindet sich im Krieg, wie heute wieder bestätigt worden ist. Gott sei Dank hat dies endlich auch die Mehrheit unserer Volksvertreter eingesehen. ›PACTA‹, das Gesetz, das uns vor solchen Angriffen wirksamer schützen soll, wird nach dem Senat auch im Repräsentantenhaus eine Zweidrittelmehrheit finden. Gott sei Dank ...«
    Jen schaltete wütend ab. Auf welchem Planeten lebten die Ratte, seine Zuschauer, die Volksvertreter in Washington? War sie komplett von Idioten umgeben? Falls die Zusammensetzung des Kongresses dem Willen des Volkes entsprach, ließ sich offenbar eine satte Mehrheit gedankenlos von den Massenmedien manipulieren. Genau das wollte doch der Psycho aus Berkeley demonstrieren. Angewidert goss sie sich ein Glas Wasser ein und prostete dem schwarzen Bildschirm zu:
    »Gratuliere, Professor Schneider.«
    Um nicht wieder an die toten Augen denken zu müssen, schaltete sie den Laptop ein. Jezzus war online. Sofort rief er sie auf dem Videochat an. Er zog lachend den Hut und deutete eine Verneigung an.
    »Ich küsse dir die Füße, oh Königin der Hacker.«
    »Dazu gibt es keinen Grund«, brummte sie ärgerlich. »Das Scheiß Gesetz wird durchkommen. Es hat alles nichts genützt.«
    »Du bist wie immer zu bescheiden. Fuck, Jen, du hast den mächtigsten Volkstribun ein für alle Mal aus dem Verkehr gezogen!«
    »Ganze vier Ganoven, um genau zu sein.«
    »Du vergisst das Netzwerk der korrupten Unternehmen und Politiker.«
    »Wird alles unter
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