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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs
Autoren: Nickolas Butler
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Lichter von seltsamer Schönheit auf die Erde niedersprühten.
    Irgendwann fing Lee an zu lachen und schüttelte den Kopf. Ich berührte den Flanellstoff seiner Jacke und fragte: »Was ist los? Was ?«
    »Ich habe eine Freundin.«
    »Ach ja? Du hast immer eine Freundin.«
    »Diesmal ist es anders«, sagte er. Er schaute mich an und hob die Augenbrauen. Der Rauch füllte unsere Lungen aus,klebrig und gut, und der Joint wanderte zwischen uns hin und her.
    »Und? Wer ist sie? Nun komm schon.«
    Ich verschluckte mich am Rauch, als er es mir erzählte, und hustete in die Nacht hinaus. Dann schlug ich mir mit der Faust an die Brust. Lee ging mit einem Filmstar aus, einer Frau, die regelmäßig auf den Hochglanzseiten mindestens dreier verschiedener Zeitschriften auftauchte, die bei uns im Haus herumlagen. Sie war berühmt für ihre Eleganz, ihre unergründliche Schönheit und ihr unbestrittenes Schauspieltalent.
    Er nickte mir zu, immer noch lächelnd.
    »Und was will sie mit einem Penner wie dir?«
    »Jeder Mann sollte ab und zu auch mal Glück haben dürfen«, sagte er und zuckte mit den Schultern. Aber ich konnte genau erkennen, dass er in sie verliebt war.
    »Ich bringe sie zu Kips Hochzeit mit«, sagte er einen Moment später. »Ich kann es kaum erwarten, sie euch vorzustellen.«
    »Herrje, Lee, ich – Scheiße, ich freue mich wahnsinnig für dich«, sagte ich, obwohl da in meiner Brust etwas an mir zog, das sich wie Eifersucht anfühlte. »Ich freue mich wahnsinnig für dich«, wiederholte ich und starrte ins Feuer, durch die Flammen hindurch, dorthinein, wo die Kohle pulsierend glühte, im fahlsten, hellsten Orange. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlen mochte, ihren Körper zu berühren, mit einer Frau zusammen zu sein, die so unglaublich schön war. Dann schüttelte ich den Kopf, schüttelte all diese Gedanken aus mir heraus und war wieder zurück bei Lee, glücklich und stolz auf ihn.
    Seltsam , dachte ich dann, wie sein Leben dem meinen ähnelte und es dann aber wiederum überhaupt nicht tat, obwohlwir doch von demselben kleinen Fleckchen Erde stammten. Und warum? Wie hatten sich unsere Wege getrennt und warum gab es zwischen ihnen überhaupt noch eine Verbindung? Warum stand er in diesem Moment in meinem Garten, auf meiner Farm, umgeben von den Geräuschen von fast zweihundert Kühen? Wie kam es, dass er zurückgekehrt war, dieser berühmte Mann, dieser Mensch, dessen Name jeder schon mal gehört hatte, dessen Stimme Millionen von Leuten wiedererkannten, für den es an so vielen Orten unmöglich war, einfach nur ein Fremder zu sein?
    Es fiel mir schwer, zum Nachthimmel hinaufzuschauen und dabei nicht an Lee zu denken und daran, wie berühmt er war. Überall auf der ganzen Welt gab es in diesem Augenblick zweifellos Menschen, die seine Musik hörten. Ich schaute zu, wie er einen letzten Zug von dem Joint nahm, bevor er ihn ins Feuer schnipste. Er leuchtete. Er war ein weißes Glühen.
    ...
    Wenn Lee nicht gerade irgendwo auf Tour war, wohnte Ronny oft bei ihm in dem alten Schulhaus. Sie machten zusammen Musik, Ronny am Schlagzeug, auf das er fröhlich einhämmerte, während Lee seinem versehrten Freund anerkennend zulächelte. Oder sie fuhren zusammen mit Lees Traktor durch die Sonne. Lee machte für Ronny Frühstück, Mittag- und Abendessen. Manchmal saßen die beiden auch gemeinsam auf Lees Veranda und schwiegen einfach nur. Sie schauten den Fledermäusen zu, bei ihren Sturzflügen durch die Sternenkulisse der Nacht. Sie lauschten den Rufen der Eulen. Beobachteten die Rehe, wie sie draußen auf den Feldern grasten.
    Lee achtete sehr genau darauf, dass Ronny keinen Alkohol anrührte. Wenn sie da draußen auf ihren Holzsesseln saßen, tranken sie Kaffee oder Kakao, und das war gut und reichte ihnen. In Ronnys Gesellschaft blieb Lee clean, oder zumindest größtenteils. Und wenn sie abends einmal ins VFW gingen, um ein Spiel der Packers zu gucken oder einen Hamburger zu essen oder sich einen Pappteller mit Quarkbällchen zu teilen, dann wich Lee nicht von Ronnys Seite, bestellte Coca-Colas für ihn und hörte mit begeistertem und ehrlichem Interesse den manchmal recht verwickelten Ansichten und Monologen seines Freundes zu. Keiner von uns hatte vor Ronnys Unfall den Alkoholismus so recht verstanden, der unseren Freund fast umgebracht hätte. Es hatte damals den Anschein, als sei der Alkohol während seiner Rodeoreisen zu seinem engsten Weggefährten geworden. Wenn eine Veranstaltung vorbei war, legte er
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