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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs
Autoren: Nickolas Butler
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sich meistens in die Badewanne seines Motels, um seinen mit blauen Flecken übersäten Körper zu kühlen, und betrank sich mit billigem Bier oder schlechtem Wodka. Das Trinken wurde seine Geliebte, sein Wiegenlied, seine Nadel und sein Kopfkissen.
    Lee hatte einen ganzen Stier schlachten und ausstopfen lassen und ihn dann auf ein Podest mit vier robusten Rädern montiert. Die beiden Freunde rollten den toten Stier oft auf eines von Lees Feldern und verbrachten dann den ganzen Nachmittag damit, auf Lees Traktor um ihn herumzufahren; Ronny mit dem Lasso in der Hand, das er gekonnt mit lächelndem Gesicht über seinem Kopf wirbelte und dann hinaus ins Feld warf, wo es sich jedes Mal ohne Ausnahme um die beiden glänzenden Hörner des reglosen Tieres schlang.
    »Seine Muskeln wissen alle noch genau, wie es geht«, sagte Lee oft und schüttelte traurig den Kopf. Und dann sagte er: »Ich sollte ihm ein Pferd kaufen.«
    ...
    Der Junggesellenabschied war ein ziemliches Fiasko. Kip hatte eine Stretch-Limousine gemietet und uns allen einheitliche Polohemden gekauft, die wir den ganzen Tag tragen sollten. Tagsüber gingen wir golfen. Sechsunddreißig Löcher. Er hatte den ganzen Kurs und auch das Clubhaus gemietet. Das Gerücht machte die Runde, es würden Stripperinnen auftreten. Aber Kip hatte Ronny nicht eingeladen und Lee war furchtbar wütend. Mich überraschte das nicht. Kip hatte so eine Art an sich, viel zu hastig zu handeln und kaum zuzuhören. So war er immer schon gewesen. Ronny und er waren nie besonders gut miteinander klargekommen, und vielleicht galt das ja auch für uns alle: dass Kip nie so recht zu uns gepasst hatte. Aber zu Ronny passte er noch am wenigsten. Er starrte Kip einfach nur an, schon als wir noch Teenager waren, und sagte solche Sachen wie: »Also ehrlich, Kip, allen außer dir geht dieses superelitäre College-Vorbereitungsprogramm absolut am Arsch vorbei. Mach mal’n Punkt. Dieses Wochenende steigt eine Party im Steinbruch. Das ist das, worauf ich mich jetzt konzentriere. Jemanden zum Flachlegen zu finden.«
    Wenn ich mir dann den Junggesellenabschied vorstellte, zu dem wir da eingeladen waren, hatte ich unwillkürlich Kips Kollegen aus Chicago vor Augen: Männer in Anzug und Krawatte, Männer, die Martinis tranken und Spesenkonten hatten, die auf Eliteuniversitäten gegangen warenund teure Autos fuhren. Männer, die einen Satz brandneuer Golfschläger besaßen und Golfschuhe mit Spikes. Die weiche, glatte Bürohände hatten. Vielleicht hatte Kip Ronny ja nicht eingeladen, um ihn zu beschützen oder weil es ihm zu peinlich war. Aber ich wusste auch, dass keine von diesen Entschuldigungen bei Lee ziehen würden. Seine Liebe zu Ronny war so beschützerisch, dass sie unweigerlich den Zorn des Gerechten in ihm zu entfachen schien.
    Ronny hatte den Tag der Hochzeit in seinem Kalender, der an einem Magneten an der Seitenwand seines Kühlschranks hing, rot angestrichen, und während der Monate, die der Hochzeit vorausgingen, fragte er Lee und mich regelmäßig, wann denn der Junggesellenabschied sein würde.
    »Man muss einen Junggesellenabschied feiern«, sagte Ronny dann. »Das gehört sich einfach so. Das letzte Hurra. Stimmt’s? Das allerletzte Hurra.«
    Der Gedanke, Ronny selbst würde vielleicht niemals heiraten, machte mich traurig.
    Lee und ich gingen am Tag des Junggesellenabschieds zu Ronnys Wohnung.
    »Hast du eine Einladung bekommen?«, fragte Lee und wühlte besorgt den Haufen Post durch, der sich auf Ronnys Küchentisch stapelte. Das meiste davon war Reklame: Coupons, Parteienwerbung, Kreditkartenangebote. Rechnungen wurden nie an Ronnys Adresse geschickt.
    »Nee«, sagte Ronny, »ist wahrscheinlich einfach nur in der Post verlorengegangen. Ich weiß, dass er mich gerne dabeihätte.«
    »Daran besteht kein Zweifel, Kumpel«, sagte Lee, der vor Wut kochte. »Kein Zweifel. Warte mal ’ne Sekunde, Kumpel, okay? Ich muss mal kurz telefonieren.« Er warf mir einenernsten Blick zu, und ich wusste, ich sollte auf Ronny aufpassen und ihn ablenken. Ich machte den Fernseher an und schaltete mich durch die Kanäle, bis wir einen Naturfilm über eine Herde Montanabüffel fanden.
    »Du kannst doch mein Telefon benutzen!«, rief Ronny, aber Lee war schon die Treppe hinunter auf die Straße gelaufen. Ich beobachtete ihn vom Fenster aus, wie er auf dem Bürgersteig hin und her lief und in sein Mobiltelefon brüllte. Er sah aus wie jemand, der gerade gerne gegen irgendetwas getreten hätte.
    Kurze Zeit
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