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Shit

Shit

Titel: Shit
Autoren: Joerg Schmitt-Killian
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Visitenkarte.
    Nach ihrem Namen brauchte er sie nicht zu fragen, denn der stand auf der bunten Brosche, die sich deutlich von dem weißen Kittel abhob:
    Monika Nabler.
    Melanie setzte sich auf die Rückbank und schwieg während der Fahrt in die Stadt.
    „Möchtest du uns nichts sagen?“, fragte Tom.
    Melanie schüttelte den Kopf, und als sie am Busbahnhof anhielten, wollte sie die hintere Tür öffnen, bevor der Wagen anhielt.
    „Das geht nicht so einfach. Die Kindersicherung! Damit uns kein Festgenommener während der Fahrt aus dem Auto hüpft“, erklärte Ecci, stieg aus und öffnete die Tür von außen.
    Tom drehte sich um. „Auf Wiedersehen!“
    „Hoffentlich nicht“, entgegnete Melanie, warf ihre langen Haare mit einer schnellen Kopfbewegung nach hinten und ging zum Busbahnhof. Sie würde nie im Leben vergessen, was sie in dieser Stunde erlebt hatte.

    Die Ärztin hatte für Marco kurzfristig einen Therapieplatz in der Nähe von Freiburg organisieren können.
    Zwei Monate später fuhr Tom nach Bad Gründelbach in die Suchtklinik. Der Leiter der Therapieeinrichtung begrüßte ihn. „Normalerweise sehen wir es nicht gern, wenn Patienten Besuch erhalten und erst recht nicht von Polizisten. Aber Marco hat mir so viel von Ihnen erzählt, dass ich es verantworten kann.“
    „Tja, wir haben zu Drogenkonsumenten ein merkwürdiges Verhältnis“, erwiderte Tom. „Sie schimpfen uns Bullen, sind andererseits froh, dass sie jemanden haben, mit dem sie über ihre Probleme reden können. Wir behandeln sie wie kranke Menschen und nicht wie Schwerverbrecher.“
    Der Arzt führte ihn in ein gemütlich eingerichtetes Kaminzimmer. Tom ließ sich in einen der beiden großen Ledersessel fallen.
    Kurze Zeit später klopfte es zaghaft an der Tür.
    „Herein!“, rief Tom.
    Marco öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen.
    „Mensch, du hast ja noch ganz schön was auf der Pfanne, wie du mich aus den Stiefeln geschlagen hast. Das hätte ichdir gar nicht zugetraut, da steckt noch jede Menge Kraft in dir.“
    Aber Toms Versuch, die Situation zu entkrampfen, war vergeblich. Er konnte dem Jungen kein Lächeln entlocken.
    Marco setzte nun einen Fuß vor den anderen und ging wie in Zeitlupe auf Tom zu, als wolle er ihm signalisieren: Dieses Mal schlage ich dich nicht!
    Die Ärztin hatte Marco scheinbar die Situation geschildert, an die er sich nicht erinnern konnte.
    Tom nahm instinktiv eine abwehrende Grundhaltung ein. Dann hob Marco wie in Zeitlupe seine rechte Hand und berührte Toms linke Gesichtshälfte so zart, als würde man einem Baby über die Wange streichen.
    „Tut’s noch weh? Es tut mir leid!“, flüsterte Marco.
    Tom war für Bruchteile von Sekunden wie gelähmt. Dann atmete er tief durch und klopfte Marco sanft auf die Schulter. Am liebsten hätte er den Jungen in die Arme genommen und fest an sich gedrückt. Doch er schaffte es nicht, wie damals bei Sabine.
    Und mehr als ein zaghaftes „Nein“ brachte er in diesem Moment nicht über seine Lippen.
    „Das wollte ich nicht“, entschuldigte sich Marco, setzte sich in den anderen Sessel und berichtete von dem Alltag in der Therapieeinrichtung. Marco redete wie ein Wasserfall und für Tom schien es so, als schreie er stellvertretend für Sabine deren unausgesprochene Worte hinaus. Und wiederum vermischte sich die Gegenwart mit der Vergangenheit. Toms Gedanken drehten sich im Kreis.
    Da erzählt mir ein junger Mann seine Geschichte und für Sabines Probleme hatte ich nie ein offenes Ohr. Marco plauderte, als habe er in den letzten Jahren mit keinem Menschen reden können.
    Hätte Sabine auch so viel erzählt, wenn er ihr damals zugehört hätte?
    Tom unterbrach Marcos Redeschwall nicht, aber er signalisierte immer wieder durch Kopfnicken und andere Gesten, dass er auch wirklich zuhörte.
    Nach zwei Stunden verabschiedeten sich die beiden und Tom versprach Marco, dass er ihn weiterhin besuchen werde.

18.
    „Ich bin es!“
    Tom erkannte die Stimme sofort.
    „Wie geht es dir?“, fragte er.
    „Ich bin abgehauen!“
    „Wie bitte?“
    „Ich hab es in der Therapie nicht mehr ausgehalten. Ich möchte, dass du mich in den Knast bringst.“
    „Spinnst du? Du willst in den Jugendknast?“
    „Ja, aber nur dann, wenn ihr mich findet.“
    Marco lachte.
    „Marco, wo bist du? Mach keinen Scheiß!“
    Dann rauschte es in der Leitung.
    Tom wählte sofort die Nummer von Frau Kniebs, erklärte ihr kurz den Sachverhalt und fragte, ob Marco sich auch bei ihr gemeldet
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