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Shimmer

Shimmer

Titel: Shimmer
Autoren: Hilary Norman
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Salz aus den Augen, orientierte sich und wendete.
    »Wo genau?«, rief er.
    »Da!« Martinez’ Stimme klang heiser, war aber laut genug, um Sam über den Lärm der Rotoren und das Rauschen der Wellen hinweg zu erreichen. »Links von dir!«
    An Bord der Windswept hörte Grace Sams Stimme. Sie rappelte sich auf, schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, und sah das Schlauchboot. Sam war schon fast da.
    »Lieber Gott ...«, sagte sie. »Bitte.«
    Sams Augen brannten ebenso wie die Wunden auf seiner Brust.
    Es war der schönste Schmerz, den er je im Leben verspürt hatte.
    Fast da. Noch zwei Schwimmzüge. Seine rechte Hand berührte zuerst den Gummi, dann den Griff.
    »Joshua! Ich bin hier, mein Sohn!«
    Aus Angst, das Boot zum Kentern zu bringen, zog er sich mit übertriebener Vorsicht an Bord. Dabei rutschte er wieder ab und hörte, wie Grace vor Angst aufschrie. Doch es gelang ihm, sich festzuhalten.
    Er sah den Weidenkorb.
    Joshua lag darin.
    Es war der schönste Anblick, den er je gesehen hatte.
    Die dunklen Augen seines Sohnes waren weit geöffnet, und er schaute seinen Vater ruhig und friedlich an.
    »Lieber Gott, ich danke dir«, betete Sam.
    Und stieg ins Boot.

106
     
    »Ein zäher kleiner Kerl«, sagte einer der Ärzte im Miami General Hospital mit unverhohlener Bewunderung zu Sam und Grace.
    Zur Beobachtung behielten sie ihn noch im Krankenhaus – und weil Dr. David Becket, dessen Meinung sie respektierten, mit Nachdruck darum gebeten hatte, kein Risiko einzugehen. Doch Joshua schien trotz allem, was er durchgemacht hatte, nicht den geringsten Schaden davongetragen zu haben.
    Dank der warmen Nächte Floridas war es nicht einmal zu Unterkühlungen gekommen.
    Jerome Cooper war zusammen mit der Baby verschwunden. Die wahrscheinlichste Theorie besagte, dass er beschlossen hatte, gemeinsam mit seinem Boot unterzugehen. Vermutlich hatte er den Treibstofftank des Bootes in eine Bombe verwandelt – inspiriert von der Jugendbande, die für die Sprengstoffanschläge auf verschiedene Boote verantwortlich war.
    Schnell war auch ein grausiges Beweisstück dafür in den Trümmern gefunden worden: menschliche Überreste, die noch immer nicht offiziell identifiziert worden waren. Ein Teil des Fingers einer Frau mit weißem Nagellack deutete darauf hin, dass sich zum Zeitpunkt der Explosion vermutlich auch Roxanne Lucca auf dem Boot befunden hatte – inzwischen wusste die Polizei, dass Roxanne kurz vor Sam von Chicago nach Miami geflogen war.
    Mutter und Sohn wurden vermisst. Vermutlich waren sie tot.
    Und soviel die Beckets wussten, trauerte niemand um sie.
    »Ich bin froh, dass Jerome nicht mehr lebt«, sagte Grace am Donnerstagabend am Telefon zu Claudia. Sie hatte ihre Schwester aus dem Krankenhaus angerufen. »Sonst hätte ich Angst, was Sam ihm antun würde.«
    Claudia befand sich ebenfalls in einem Krankenhaus, im Westlake Hospital in Melrose Park, wo sie noch immer für ihren Vater tat, was sie konnte.
    »Ich bin sicher, Sam hätte es dem Gesetz überlassen«, sagte Claudia.
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Grace.
    »Ich wünschte, ich wäre bei dir«, sagte Claudia.
    »Meinst du nicht, es wäre an der Zeit, dass du wieder nach Hause fährst, Schwesterchen?«
    »Wenn Dan mich noch will.«
    »Fahr einfach zurück, und finde es heraus«, sagte Grace.

107
     
    20. Juni
     
    Mildred ging es schon viel besser.
    Sam hatte sie besucht, wann immer es ging. Wenn er einen Tag nicht konnte, war sein Vater für ihn eingesprungen.
    »Sie ist wirklich eine ganz besondere ältere Dame«, stimmte David mit seinem Sohn überein.
    »Und sie scheint von dir ziemlich angetan zu sein«, bemerkte Sam.
    Acht Tage waren seit der Entführung vergangen, und Grace hatte zwei Hühner für das Freitagsmahl gebraten, während Saul an der Reihe war, die Sabbatkerzen zu entzünden. Nun war das Abendessen vorbei, und Saul wusch in der Küche ab, während Grace oben im Kinderzimmer war, um zum fünften Mal nach Joshua zu sehen, seit sie sich zum Essen an den Tisch gesetzt hatten.
    Vater und Sohn Becket waren derweil draußen auf der Terrasse. Woody, der schon einen Tag nach der Vergiftung außer Gefahr gewesen war, lag zufrieden zu Sams Füßen.
    »Hat Mildred gesagt, was sie nach ihrer Entlassung tun will?«, wollte David wissen. »Sie kann doch nicht so weiterleben wie bisher, oder?«
    »Wir werden Schwierigkeiten haben, ihr das auszureden«, sagte Sam.
    »Dann ist es wohl an uns«, seufzte sein Vater, »uns
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