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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition)
Autoren: Trevanian
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Ironischem wie einer verirrten Kugel. Wo lag darin die Würde? Wo blieb das shibumi? Nun waren die Kraniche also in ihrem Nest gefangen. Er würde in Frieden und Einvernehmen mit Hana leben, bis sie kamen. Dann würde er sich aus dem Spiel zurückziehen. Freiwillig. Durch eigene Hand.
    Fast unmittelbar, nachdem er zu dieser Erkenntnis über den Stand des Spiels und den einzig möglichen Schritt zu einem würdigen Abschluss gekommen war, spürte Hel, wie Jahre aufgestauten Abscheus und Hasses von ihm abfielen. Sobald sie von der Zukunft getrennt ist, wird die Vergangenheit zu einer unbedeutenden Parade trivialer Ereignisse, die nicht mehr zusammenhängen, nicht mehr wirksam oder gar schmerzhaft sind.
    Es drängte ihn, Rechenschaft über sein Leben abzulegen, die Bruchstücke zu untersuchen, die er mit sich herumgeschleppt hatte. Bis tief in die Nacht hinein, während der warme Südwind sich in den Dachbalken wiegte, kniete er vor dem Lacktischchen, auf dem sich zwei Gegenstände befanden: die Go-Schalen, die Kishikawa-san ihm geschenkt hatte, und der vergilbte offizielle Beileidsbrief, mit den vom häufigen Auseinander- und wieder Zusammenfalten ausgefransten Knicken, den er aus dem Shimbashi-Bahnhof mitgenommen hatte, weil er alles symbolisierte, was von dem würdevollen alten Mann, der in jener Nacht starb, übrig geblieben war.
    Während all der Jahre, die er ruhelos im Westen umhergezogen war, hatte er drei geistige Rettungsanker bei sich getragen: die Go-Schalen, Symbol der Zuneigung zu seinem Pflegevater, den verblichenen Brief, Symbol für die japanische Geisteshaltung, und seinen Garten – nicht den Garten, den sie zerstört hatten, sondern die Idee des Gartens in seiner Fantasie, deren unvollkommener Ausdruck dieses Stückchen Land gewesen war. Solange er diese drei Dinge besaß, fühlte er sich reich und vom Glück begünstigt.
    Sein neu befreiter Geist ließ sich von Idee zu Erinnerung treiben, eine flüchtig wie die andere, und bald darauf befand er sich – wie selbstverständlich – auf seiner dreieckigen Wiese, eins mit dem goldenen Sonnenschein und dem Gras.
    Daheim – nach so langen Wanderjahren!
    »Nikko?«
    »Mhm?«
    Sie schmiegte ihren Rücken an seine nackte Brust. Er drückte sie an sich und küsste ihr Haar. »Nikko, hast du mich wirklich nicht gewinnen lassen?«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil du ein sehr seltsamer Mensch bist. Und ein sehr netter.«
    »Ich habe dich nicht gewinnen lassen. Und um es dir zu beweisen, werden wir nächstes Mal um die maximale Strafe spielen.«
    Sie lachte leise. »Mir ist ein Wortspiel eingefallen – ein englisches.«
    »Ach ja?«
    »Ich hätte sagen sollen: Du bist dran.«
    »Aber das ist ja schrecklich!« Er umarmte sie von hinten und legte die Hände um ihre Brüste.
    »Das einzig Tröstliche an allem ist doch dein Garten, Nikko. Ich bin so froh, dass sie ihn verschont haben! Nach all den Jahren, nach all der Liebe und Arbeit, die du hineingesteckt hast, hätte es mir das Herz gebrochen, wenn sie deinen Garten zerstört hätten.«
    »Ich weiß.«
    Sie brauchte nicht zu wissen, dass es keinen Garten mehr gab.
    Und jetzt war es Zeit, den Tee zu trinken, den er für sie bereitet hatte.
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