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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition)
Autoren: Trevanian
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der Stirn.
    Der Aufzug hielt; die Tür öffnete sich direkt in ein Vorzimmer, wo ein Sekretär sich erhob und ihn mit leerem Lächeln begrüßte. »Mr. Hel? Der Vorsitzende wird Sie gleich empfangen. Der andere Gentleman wartet schon drinnen. Wenn Sie ebenfalls hineingehen wollen?« Der Sekretär war ein hübscher junger Mann mit seidenem, bis zur Brust offen stehendem Hemd und eng geschnittener Hose aus einem weichen Material, unter dem sich die Wölbung seines Gemächts wirkungsvoll abzeichnete. Er begleitete Hel in ein Empfangszimmer, das wie die gute Stube eines komfortablen Landhauses eingerichtet war: behäbige Polstersessel mit geblümtem Bezug, Spitzenvorhänge, ein niedriger Teetisch, zwei Lincoln-Schaukelstühle, Nippes in einer verglasten Etagere, auf einem Klavier gerahmte Familienfotos von drei Generationen.
    Der Gentleman, der sich von dem dickgepolsterten Sofa erhob, sprach jedoch mit reinem Oxford-Akzent. »Mr. Hel? Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Ich bin Mr. Able und vertrete in Fällen wie diesem die Interessen der OPEC -Länder. Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mr. Hel. Der Vorsitzende wird gleich kommen. Es hat sich im letzten Moment noch etwas ergeben, und sie wurde abberufen.«
    Hel wählte den am wenigsten geschmacklosen Sessel. »Sie?«, fragte er.
    Mr. Able lachte melodisch. »Ach, wussten Sie nicht, dass der Vorsitzende eine Frau ist?«
    »Nein. Warum wird sie dann nicht die Vorsitzende genannt oder wenigstens mit einer von diesen hässlichen Wortschöpfungen bedacht, mit denen die Amerikaner unter Aufopferung des Wohlklangs ihr soziales Gewissen erleichtern: Geschäftsperson, Milchperson, Verbindungsperson – und so weiter?«
    »Oh, Sie werden feststellen, dass der Vorsitzende sich niemals von Konventionen knebeln lässt. Nachdem sie eine der mächtigsten Personen der Welt geworden ist, braucht sie nicht mehr um Anerkennung zu werben; und Gleichberechtigung wäre für sie ein gewaltiger Schritt abwärts.« Mr. Able lächelte und legte kokett den Kopf auf die Schulter. »Wissen Sie, Mr. Hel, ich habe eine Menge über Sie erfahren, bevor Ma mich zu dieser Sitzung einlud.«
    »Ma?«
    »Jeder, der dem Vorsitzenden nahesteht, nennt sie Ma. Ein kleiner Familienscherz. Oberhaupt der Muttergesellschaft, verstehen Sie?«
    »Ich verstehe.«
    Die Tür zum Vorzimmer wurde geöffnet, und ein muskulöser junger Mann mit makelloser Sonnenbräune und goldblonden Locken trug ein Tablett herein.
    »Stellen Sie’s nur dort hin«, wies Mr. Able ihn an. Dann wandte er sich wieder Hel zu: »Ma wird mich zweifellos bitten, das Einschenken zu übernehmen.«
    Der hübsche Beachboy ging wieder hinaus, nachdem er den Teetisch gedeckt hatte: dickes billiges Porzellan mit blauem Weidenmuster.
    Mr. Able bemerkte den Blick, mit dem Hel das Geschirr musterte. »Ich weiß, was Sie denken, Mr. Hel. Ma umgibt sich gern mit Dingen, die sie als ›gemütlich‹ bezeichnet. Von Ihrer bewegten Vergangenheit, Mr. Hel, erfuhr ich vor einiger Zeit anlässlich einer Informationssitzung. Selbstverständlich hätte ich nie erwartet, Sie persönlich kennenzulernen – jedenfalls nicht, nachdem Mr. Diamond uns von Ihrem Tod unterrichtet hatte. Bitte glauben Sie mir, dass ich zutiefst bedauere, was die Sonderpolizei der Muttergesellschaft Ihrem Wohnsitz angetan hat. Für mich ist das ein unverzeihlicher Vandalismus.«
    »So, ist es das?« Hel wurde ungeduldig wegen der Verzögerung und hatte keine Lust, lange mit diesem Araber zu plaudern. Er stand auf und trat ans Klavier mit dem Arrangement von Familienfotos. In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Büro, und der Vorsitzende kam herein.
    Eilfertig sprang Mr. Able auf. »Mrs. Perkins, darf ich Ihnen Nikolai Hel vorstellen?«
    Sie ergriff Hels Hand und drückte sie herzlich mit rundlichen kurzen Pummelfingern. »Liebe Güte, Mr. Hel, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich darauf gefreut habe, Sie kennenzulernen.« Mrs. Perkins war eine mollige Frau Mitte fünfzig. Klare mütterliche Augen, Hals unter mehreren Kinnschichten verborgen, graues, zum Knoten aufgestecktes Haar, aus dessen Netz sich einige Strähnen gelöst hatten, mächtiger Busen, runde Unterarme mit Grübchen an den Ellbogen, die ganze Leibesfülle in ein purpurnes Seidenkleid gezwängt. »Wie ich sehe, betrachten Sie gerade meine Familie. Mein Stolz und meine Freude, wie ich immer sage. Das da, das ist mein kleiner Enkel. Ein richtiger Racker. Und das ist Mr. Perkins. Ein großartiger Mann. Ein
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