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Shibumi: Thriller (German Edition)

Shibumi: Thriller (German Edition)

Titel: Shibumi: Thriller (German Edition)
Autoren: Trevanian
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scheuerten ihm die Knöchel wund, und die Muskeln seines Unterarms zitterten vor Anspannung bei dem krampfhaften Griff um das Seil, das ihn mit den anderen verband und das er nicht loszulassen wagte, aus Angst, den Kontakt mit ihnen zu verlieren und blind und allein in dieser wilden Gegend zurückbleiben zu müssen. So hatte er sich das Abenteuer ganz und gar nicht vorgestellt, als er sich vor zwei Tagen in seinem Hotelzimmer in Oñate vor dem Spiegel in Positur gestellt hatte, eine romantische Gestalt in Bergkleidung und Stiefeln, eine schwere Magnum im Hüftholster. Er hatte sogar geübt, die Waffe möglichst schnell zu ziehen, und den hart dreinblickenden Profi im Spiegel gebührend bewundert. Er erinnerte sich noch genau, wie erregt er einen Monat zuvor gewesen war, als er auf dieser Bergwiese sein ganzes Magazin in den zuckenden Körper der Jüdin leerte, nachdem Starr sie umgelegt hatte.
    Genauso aufreizend wie das körperliche Unbehagen war für Diamond das unablässige Summen und Singen des drahtigen alten Bergführers, der sie bedächtig um den Rand zahlloser tiefer, mit dichtem Nebel gefüllter Spalten herumführte, deren gefährliche Natur er ihnen mit ausholenden Gesten klargemacht hatte, indem er – nicht ohne Galgenhumor – Augen und Mund weit aufriss und einen Abstürzenden mimte, der hilflos mit den Armen wedelte, die Hände im Gebet erhob und die Augen in wilder Angst verdrehte. Nicht nur das nasale Winseln der baskischen Melodien nagte an Diamonds Geduldsfaden, sondern auch die Tatsache, dass die Stimme aufgrund des merkwürdigen Unterwassereffekts eines Whiteouts von überall zugleich zu kommen schien.
    Diamond hatte versucht, den Führer zu fragen, wie lange sie sich noch durch diesen Nebel tasten müssten, wie weit es noch bis dorthin sei, wo sich der Gnom angeblich versteckt hielt. Aber die einzige Antwort waren ein Grinsen und ein kurzes Kopfnicken gewesen. Als sie von einem spanischen Basken, der sie im Dorf aufgesucht hatte, am Fuß der Berge diesem Führer übergeben worden waren, hatte Diamond ihn gefragt, ob er Englisch verstünde, und der kleine Alte hatte ihm grinsend geantwortet: »A lee-tle bit.« Als Diamond einige Zeit später wissen wollte, wie lange es noch dauern würde, bis sie ihr Ziel erreichten, hatte der Führer abermals geantwortet: »A lee-tle bit.« Das war eine seltsame Erwiderung, die Diamond veranlasste, den Alten nach seinem Namen zu fragen. »A lee-tle bit.« Na fein! Einfach großartig!
    Diamond begriff durchaus, warum der Vorsitzende ihn beauftragt hatte, diese Angelegenheit persönlich zu erledigen. Dass Ma ihm eine so explosive Information anvertraute, war eine besondere Auszeichnung und ihm nach der gewissen Kühle in ihren Mitteilungen, seit die Septembristen bei dieser Flugzeugexplosion umgekommen waren, besonders willkommen. Aber sie waren jetzt seit zwei Tagen in den Bergen, angeseilt wie Kinder, die Blindekuh spielen, und stolperten durch dieses grellweiße Whiteout, das ihre Augen mit stechendem Licht blendete. Sie hatten eine kalte unbequeme Nacht auf steinigem Boden verbringen müssen, nachdem sie ein Abendessen aus hartem Brot, fetter, scharf gewürzter Wurst, die ihnen den Mund verbrannte, und saurem Wein aus einem Spritzsack eingenommen hatten, mit dem Diamond nicht umzugehen verstand. Wie lange dauerte es wohl noch, bis sie das Versteck des Gnoms endlich erreichten? Wenn nur dieser blöde Bauer mit seinem ewigen Gesinge aufhören würde!
    Und das tat er in just diesem Moment. Diamond hätte den grinsenden Führer fast umgerannt, weil dieser inmitten eines mit Steinen übersäten kleinen Plateaus stehen geblieben war, über das sie sich, stets vorsichtig die gefährlichen gouffres meidend, einen Weg gebahnt hatten.
    Als Starr und Haman zu ihnen stießen, bedeutete der Führer ihnen, sie müssten hier warten, während er selbst aus irgendeinem Grund vorausgehen würde.
    »Wie lange werden Sie fortbleiben?«, erkundigte sich Diamond, jedes Wort, als könnte das helfen, langsam und deutlich artikulierend.
    »A lee-tle bit«, lautete die Antwort des Führers, und er verschwand im Nebel. Einen Moment darauf schien seine Stimme von allen Seiten zugleich zu kommen. »Machen Sie sich’s nur bequem, meine Freunde.«
    »Dieser Scheißkerl spricht also doch Englisch«, rief Starr. »Was zum Teufel geht hier vor?«
    Diamond schüttelte den Kopf, beunruhigt und verwirrt über die totale Stille ringsum.
    Minuten verstrichen; das Gefühl von Verlassenheit und
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