Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
traute ich ihm immer noch nicht. Wie, wenn die ganze Sache vorher arrangiert worden wäre, dazu ausersehen, mir etwas vorzumachen? Doch was sollte er für ein Interesse daran haben, mich einzuseifen? Ich sah zu ihm hin. Er hatte gerade den Brief zu Ende gelesen. Seine Augen hatten einen leeren Blick angenommen, jenen glanzlosen Ausdruck, der geistige Abwesenheit ausdrückt.
    »Wie haben Sie das herausgefunden?« fragte ich.
    »Was herausgefunden?« fragte er irritiert.«
    »Na ja, daß er ein pensionierter Marine Sergeant ist.«
    »Ich habe keine Zeit für alberne Kleinigkeiten«, sagte er brüsk. Dann lächelte er,
    »Entschuldigen Sie meine Grobheit. Sie haben mich in meinen Gedankengängen gestört, aber vielleicht ist das genauso gut. So, es war Ihnen also nicht möglich, in diesem Mann den Marinesergeanten zu sehen?«
    »Nein, tatsächlich nicht.«
    »Es ist leichter eine Sache zu wissen, als zu erklären, warum man sie weiß. Wenn man von Ihnen verlangt, daß zwei plus zwei vier sind, dann werden Sie auch Ihre Schwierigkeiten haben und doch sind Sie sich der Tatsache völlig sicher. Selbst über die Straße hinweg konnte ich den großen blauen Anker sehen, der auf die Hand des Mannes tätowiert war. Das roch nach See. Er hatte eine militärisch stramme Haltung und trug einen Backenbart, wie man sie bei Seeoffizieren sieht. Da haben wir also den Mariner. In seiner Haltung lag
    Selbstbewußtsein und eine gewisse Befehlsgewohnheit. Das hätten Sie an der Art, wie er seinen Kopf hielt und den Stock schwang, sehen müssen. Er vermittelte den Eindruck eines ehrlichen, respektablen Mannes mittleren Alters — alles Dinge, die mich annehmen ließen, daß er Sergeant gewesen ist.
    »Wunderbar!« jubelte ich.
    »Allgemeinwissen«, sagte Holmes, aber sein Ausdruck verriet mir, daß ihn meine sichtliche Überraschung und meine Bewunderung freute. »Ich habe gerade eben gesagt, daß es keine
    Verbrecher mehr gibt. Ich hatte Unrecht — schauen Sie sich das an!«
    und er schob mir den Brief herüber, den ihm der Bote gebracht hatte.
    »Oh«, rief ich, als ich den Brief überflogen hatte, »das ist ja furchtbar!«
    »Es weicht ein bißchen vom Üblichen ab«, bemerkte er ruhig, »würden Sie ihn mir bitte
    einmal laut vorlesen?«
    Dies ist der Brief, den ich ihm vorlas:
    Mein lieber Sherlock Holmes!
    Während der letzten Nacht ist in Lauristen Gardens Nr. 3 (die Straße zweigt von der Brixton Road ab) eine schlimme Sache passiert. Unser Wachmann sah dort gegen zwei Uhr Licht.
    Das Haus ist unbewohnt, so kam ihm der Verdacht, daß hier etwas nicht stimmen konnte. Er fand die Wohnungstür unverschlossen. Im vorderen, völlig unmöblierten Zimmer entdeckte er die Leiche eines gutgekleideten Herrn. Er hatte Visitenkarten in der Tasche mit dem Namen
    >Enoch J. Drebber, Cleveland, Ohio USA<. Um einen Raubüberfall scheint es sich nicht zu handeln, aber es ist nicht klar, wie der Mann zu Tode gekommen ist. Es sind zwar Blutflecken im Zimmer, aber der Mann selbst ist unverletzt. Wir wissen nicht, wie er in das leere Haus gekommen ist. Die ganze Angelegenheit ist uns ein Rätsel. Wenn Sie sich den Tatort ansehen möchten, Sie finden mich bis 12 Uhr dort. Bis Sie
    eintreffen, werde ich alles so lassen, wie ich es vorgefunden habe. Falls Sie verhindert sein sollten, hierher zu kommen, werde ich Ihnen weitere Einzelheiten mitteilen. Aber Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie mich Ihre Meinung in der Sache wissen ließen.
    Ihr getreuer
    Tobias Gregson.
    »Gregson ist der tüchtigste Mann in Scotland Yard«, bemerkte mein Freund, »er und Lestrade sind die beiden einzigen, die etwas taugen. Sie reagieren beide schnell und energisch. Aber sie sind so konventionell. Es ist fürchterlich. Auch können sie sich gegenseitig nicht ausstehen. Sie sind eifersüchtig aufeinander wie zwei Primadonnen. Der Fall würde mir Spaß machen, in welchem sie beide auf der gleichen Fährte sind!«
    Ich war erstaunt über die ruhige Art, mit der er dahinplauderte.
    »Sie dürfen jetzt keinen Augenblick versäumen!« rief ich, »soll ich laufen und Ihnen einen Wagen besorgen?«
    »Ich weiß noch nicht, ob ich hingehen werde. Ich bin der faulste Teufel, den Sie je gesehen haben - das heißt, wenn mich die Faulheit packt. Sonst kann ich mich auch ziemlich schnell bewegen.«
    »Aber wieso denn, dies ist doch die Gelegenheit, auf die Sie gewartet haben.«
    »Mein lieber Freund, was geht mich das alles an. Nehmen wir einmal an, ich löse den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher