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Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot

Titel: Sherlock Holmes - Studie in Scharlachrot
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Fall.
    Gregson, Lestrade und Co. werden allen Kredit für sich verbuchen, da können Sie ganz sicher sein. Das hat man davon, wenn man eine inoffizielle Persönlichkeit ist.«
    »Aber er bittet Sie doch, ihm zu helfen.«
    »Ja, und er weiß, daß ich ihm überlegen bin. Mir gegenüber gibt er das auch zu, aber bevor er dergleichen einem Dritten gegenüber zugeben würde, würde er sich lieber die Zunge
    abbeißen. Na, wir können genausogut mal hingehen und uns die Sache ansehen. Ich werde
    wieder auf meine Weise arbeiten. Wenn mir nichts anderes bleibt, kann ich wenigstens über sie lachen. Kommen Sie!«
    Er zog sich seinen Mantel an und lief im Zimmer herum, als wollte er kundtun, daß die
    energische Phase die apathische abgelöst hatte.
    »Nehmen Sie Ihren Hut«, sagte er.
    »Soll ich denn wirklich mitkommen?«
    »Ja, wenn Sie nichts besseres zu tun haben.« Eine Minute später saßen wir beide in der Droschke und fuhren wie der Wind in die Brixton Road.
    Es war ein verhangener, nebliger Morgen. Ein grauer Schleier hing über den Hausdächern und mutete wie das Spiegelbild der schlammig-schmutzigen Straße an. Mein Kamerad war
    bester Laune und plauderte über Cremona-Geigen und den Unterschied zwischen einer
    Stradivari und einer Amati. Ich selber war recht still; das trübe Wetter und die düstere Angelegenheit, um deretwillen wir unterwegs waren, bedrückten mich.
    »Sie verschwenden nicht allzu viele Gedanken auf die Sache, die vor uns liegt«, sagte ich schließlich und unterbrach Holmes musikalischen Diskurs.
    »Es gibt ja auch noch nichts zu sagen«, antwortete er. »Es ist ein großer Fehler, wenn man sich eine Theorie aufbaut, bevor man die Tatsachen beisammen hat. Das blockiert die
    Urteilsfähigkeit. «
    »Sie werden bald Tatsachen haben«, bemerkte ich und zeigte mit dem Finger aus dem Wagen.
    »Dies ist die Brixton Road und das ist das Haus, wenn ich nicht sehr irre.«
    »Recht haben Sie. Halten Sie, Kutscher, halten Sie!« Wir waren noch etwa hundert Meter von dem Haus entfernt, aber er bestand darauf, anzuhalten und auszusteigen. Den Rest des Weges legten wir zu Fuß zurück.
    Das Haus Nr. 3 in Lauriston Gardens machte einen kleinlichschäbigen Eindruck. Es war eines von vier Häusern, die ein wenig abseits von der Straße standen. Zwei davon schienen
    unbewohnt zu sein. Drei Reihen leerer, trauriger Fenster blickten auf die Straße. Auf den schmutzigen Scheiben waren Schilder »zu vermieten« in Kaskadenform angebracht und
    ließen die Fenster noch leerer und trauriger erscheinen. Zwischen Haus
    und Garten befand sich ein kleiner Garten, der mit kränklichen, unsymmetrisch gepflanzten Gewächsen bestückt war. Durch den Garten führte ein schmaler Weg, dessen gelbliche Farbe aus einer Mischung aus Lehm und Kies zu bestehen schien. Durch die Regenfälle der
    vergangenen Nacht war alles sehr aufgeweicht und matschig. Der Garten war von einer
    meterhohen Mauer umgeben, auf der ein Holzzaun angebracht war. An dieser Mauer lehnte
    ein breitschultriger Polizist, der von Neugierigen umringt war, die in vergeblicher Hoffnung, etwas von dem was drinnen geschah, mitzubekommen, ihren Hals verrenkten und die Augen
    verdrehten.
    In meiner Vorstellung hatte ich Sherlock Holmes sofort ins Haus eilen und sich kopfüber in den rätselhaften Fall stürzen sehen. Aber das schien ganz und gar nicht seine Absicht zu sein.
    Mit einem nonchalanten Gehabe, das mir bei dieser Angelegenheit an der Grenze der
    Affektiertheit zu liegen schien, bummelte er auf dem Fußweg herum, blickte abwesend auf den Boden, den Himmel, auf das gegenüberliegende Haus und auf den Holzzaun. Schließlich schien er sich alles genau angesehen zu haben. Er ging langsam den Weg herunter, oder
    vielmehr, er ging an der Graskante entlang, die den Weg einrahmte. Seine Augen waren
    weiterhin auf den Boden gerichtet. Zweimal hielt er an. Ich sah, wie er lächelte und ich hörte, wie er einen Ausruf von Befriedigung tat. Es waren viele Abdrücke von Schuhsohlen auf dem lehmigen Boden, aber da die Polizisten dort hin- und hergelaufen waren, begriff ich nicht, was mein Freund dort lesen konnte. Allerdings zweifelte ich nicht daran, daß er dort Zeichen sah, die mir verborgen blieben, denn ich hatte ja einen Einblick in seine außergewöhnliche Schnelligkeit und seine große Aufnahmefähigkeit getan.
    An der Haustür wurden wir von einem großen Mann begrüßt. Er hatte ein blasses Gesicht, blonde Haare und ein Notizbuch in der Hand. Er war herangerannt
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