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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Autoren: Anaconda
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Stallknechten beim Abreiben ihrer Pferde und verdiente damit ein Trinkgeld, ein Glas Bier und so viel Auskunft über Miss Adler, als ich nur wünschte. Natürlich musste ich dafür die Biografien von mindestens zwölf Leuten aus der Nachbarschaft, die mich nicht im Geringsten interessierten, mit in Kauf nehmen.«
    »Nun, und Irene Adler?«, fragte ich.
    »Oh, sie hat allen Männern im ganzen Stadtteil die Köpfe verdreht. Sie ist das entzückendste Geschöpf unter der Sonne, darüber herrscht nur
eine
Stimme in den Pferdeställen der Serpentine Avenue. Sie lebt sehr zurückgezogen, singt in Konzerten und fährt täglich um fünf Uhr aus, um sieben kehrt sie dann zum Essen zurück. Zu anderer Tageszeit verlässt sie selten das Haus. Sie empfängt nur die häufigen Besuche eines brünetten und auffallend hübschen Herrn. Er kommt täglich ein, ja auch zwei Mal und ist ein Mr Godfroy Norton aus dem ›Inner Temple‹. Da sehen Sie, welch einen Vorteil es bringt, Kutscher zu Vertrauten zu haben! Sie hatten ihn mindestens ein Dutzend Mal nach Hause gefahren und waren genau über ihn orientiert. Als ihr Redefluss versiegt war, wanderte ich langsam in der Nähe auf und ab und entwarf meinen Feldzugsplan.
    Dieser Mr Norton war entschieden ein nicht zu unterschätzender Faktor in dieser Angelegenheit. Er war Jurist, das klang fatal. Welche Beziehungen bestanden zwischen diesen beiden, und welchen Grund hatte er für seine häufigen Besuche? War sie seine Klientin, Freundin oder seine Geliebte? Im ersteren Fall hatte sie ihm wahrscheinlich das Bild in Verwahrsam gegeben, im letzteren war das weniger zu befürchten. Hiervon hing es aber doch ab, ob ich in der Villa meine Nachforschungen fortsetzen oder das Feld meiner Tätigkeit in die Wohnung des Herrn verlegen musste. Das war ein sehr kniffliger Punkt und machte die ganze Sache weit verwickelter. Ich fürchte, diese Details langweilen Sie, aber zum weiteren Verständnis der Situation sind sie durchaus notwendig.«
    »Ich folge Ihnen sehr aufmerksam«, antwortete ich.
    »Ich war mit der Geschichte noch nicht im Klaren, als eine Droschke sich näherte und vor der Villa hielt. Ein auffallend hübscher Mann, mit einer Adlernase in seinem bärtigen Gesicht, sprang heraus, zweifellos derselbe, der mir beschrieben wurde. Er schien große Eile zu haben, befahl dem Kutscher zu warten und eilte an dem öffnenden Mädchen mit der Miene eines Mannes vorüber, der sich völlig zu Hause fühlt. Sein Aufenthalt dauerte ungefähr eine halbe Stunde; ich konnte ihn zuweilen durch das Fenster des Wohnzimmers erblicken, in dem er erregt sprechend und lebhaft gestikulierend auf und nieder schritt. Von ihr war keine Spur zu entdecken. Plötzlich kam er in verstärkter Aufregung wieder heraus. Bevor er einstieg, warf er einen Blick auf seine Uhr. ›Fahren Sie wie der Teufel‹, befahl er. ›Zuerst zu Gross und Hankey in der Regent Street und dann zur St. Monica’s Church in Edgeware Road. Eine halbe Guinee, wenn die Fahrt nur zwanzig Minuten dauert!‹
    Fort ging es, und ich überlegte eben, ob ich ihnen nicht folgen sollte, als ich einen hübschen kleinen Landauer das Gässchen heraufkommen sah. Der Kutscher hatte kaum vor der Tür gehalten und war noch nicht damit fertig, die Knöpfe seines Rocks zu schließen, als sie schon eilig aus der Haustür schlüpfte und selbst den Schlag aufriss. ›Nach der St. Monica’s Church, John‹, rief sie. ›Und einen halben Sovereign, wenn du in zwanzig Minuten dort bist.‹
    Ich sah sie nur ganz flüchtig, doch es genügte, um jede Torheit eines Mannes begreiflich zu finden. – Die Gelegenheit durfte ich mir nicht entgehen lassen, Watson. Glücklicherweise fand ich eine Droschke in der Nähe, die mich aller Zweifel enthob, auf welche Weise ich dasselbe Ziel erreichen konnte. Der Kutscher wusste nicht recht, was er aus seinem schäbigen Fahrgast machen sollte, aber ehe er noch Zeit zu irgendwelchen Einwendungen fand, saß ich schon im Wagen. ›Ein halber Sovereign, wenn Sie die St. Monica’s Church in zwanzig Minuten erreichen!‹ Es fehlten noch fünfundzwanzig Minuten an zwölf Uhr, und es lag klar auf der Hand, was vor sich gehen sollte. Mein Wagen fuhr sehr rasch, aber sie waren doch früher zur Stelle. Als ich ankam, hielten die beiden Wagen mit ihren dampfenden Pferden schon vor der Kirchtür. Ich bezahlte meinen Kutscher und ging schnell hinein. Außer den beiden Gesuchten und einem sehr bestürzt aussehenden Geistlichen, der eifrig auf sie
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