Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
wurde stark an der Glocke gezogen. Holmes pfiff. »Das klingt ja, als wären es zwei Pferde«, sagte er. Er blickte aus dem Fenster. »Ja«, fuhr er fort, »ein hübscher Brougham und ein Paar Prachtgäule, jeder mindestens seine hundertundfünfzig Guineen wert. Na, Watson, wenn auch sonst nichts an der Sache ist, jedenfalls ist da Geld zu holen.«
    »Ich glaube, es ist wohl besser, ich gehe jetzt.«
    »Auf keinen Fall, Doktor, Sie bleiben, wo Sie sind; was sollte ich wohl ohne Sie anfangen? Außerdem verspricht die Geschichte interessant zu werden, und warum wollen Sie sich das entgehen lassen?«
    »Aber Ihr Klient?«
    »Darüber machen Sie sich keine Skrupel. Vielleicht brauchen wir beide wirklich Ihre Hilfe. Er kommt jetzt. Setzen Sie sich ruhig in den Lehnstuhl und passen auf.«
    Ein langsamer, schwerer Tritt, den man auf der Treppe und dem Gang gehört hatte, hielt plötzlich vor der Tür an. Gleich darauf wurde laut und energisch geklopft.
    »Herein!«, sagte Holmes.
    Ein Mann trat ins Zimmer, dessen Größe wohl sechs Fuß sechs Zoll betragen mochte, er hatte die Brust und die Glieder eines Herkules. Seine Kleidung war auffallend reich, aber kein feiner Engländer hätte sie für geschmackvoll gehalten. Breite Streifen von Astrachan schmückten die Ärmel und den Kragen seines doppelreihigen Rockes, der tiefblaue Mantel, den er über die Schultern geworfen hatte, war mit flammend roter Seide gefüttert und wurde am Hals durch einen funkelnden Beryll zusammengehalten. Seine Stiefel reichten bis zur halben Wade und waren oben mit reichem braunem Pelzwerk besetzt; sie vervollständigten den Eindruck fremdartiger Pracht, den seine ganze Erscheinung hervorbrachte. Er trug einen breitkrempigen Hut in der Hand; die schwarze Halbmaske, die den oberen Teil seines Gesichts bedeckte, musste wohl eben erst angelegt sein, denn seine Hand hielt sie noch beim Eintritt gefasst. Die starke, etwas vorstehende Unterlippe und das lange, gerade Kinn sprachen von Entschlossenheit, wenn nicht Eigensinn.
    »Sie haben meinen Brief erhalten?«, fragte er mit tiefer, rauer Stimme und ausgeprägt deutschem Akzent. »Ich habe Sie auf mein Erscheinen vorbereitet« – er blickte ungewiss von einem zum ändern.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Holmes. »Dies ist mein Freund und Kollege Dr. Watson, der die Güte hat, mir gelegentlich bei schwierigen Fällen zu helfen. Mit wem habe ich die Ehre?«
    »Nennen Sie mich Graf von Kramm – aus X. Ich nehme an, dass ich in Ihrem Freund einen Mann von Ehre und Diskretion vor mir habe, dem ich eine Sache von höchster Wichtigkeit anvertrauen darf. Sonst würde ich es vorziehen, mit Ihnen allein zu verhandeln.«
    Ich erhob mich sofort, um das Zimmer zu verlassen, doch Holmes ergriff mich am Handgelenk und drückte mich auf meinen Sitz nieder. »Entweder beide oder keiner«, erklärte er fest. »Was Sie mir zu sagen haben, darf dieser Herr ebenso gut anhören.«
    Der Graf zuckte seine breiten Schultern. »Dann muss ich Sie beide auf zwei Jahre zu absolutem Schweigen verpflichten. Später hat die Sache bis auf meinen Namen keine Bedeutung mehr. Es ist aber nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, dass augenblicklich die betreffende Angelegenheit imstande wäre, einen Einfluss auf die europäische Geschichte auszuüben.«
    »Ich verpflichte mich, zu schweigen«, sagte Holmes.
    »Ich ebenfalls.«
    »Sie entschuldigen diese Maske«, fuhr unser seltsamer Besucher fort, »doch ist es der Wunsch der hohen Persönlichkeit, in deren Auftrag ich handle, dass sein Agent Ihnen unbekannt bleibe. Gleichzeitig muss ich bekennen, dass ich mich unter falschem Namen eingeführt habe.«
    »Das wusste ich«, sagte Holmes trocken.
    »Die Umstände erfordern das äußerste Zartgefühl. Ein großer Skandal muss unter allen Umständen von einem fürstlichen Haus abgewendet werden, der es ernstlich kompromittieren könnte. Offen gestanden, die Angelegenheit betrifft das erlauchte Geschlecht der … das regierende Haus in O…«
    Holmes lehnte sich bequem in den Lehnstuhl zurück und schloss die Augen. »Das wusste ich auch schon«, murmelte er.
    Anscheinend überrascht blickte der Fremde auf die lässig hingestreckte Gestalt des geschicktesten und tatkräftigsten Polizeiagenten Europas. Holmes hob langsam die Lider und sah ungeduldig zu seinem hünenhaften Klienten auf.
    »Wenn Eure Hoheit nur geruhen wollten, mir den Fall zu erzählen«, bemerkte er, »ich wäre dann viel besser imstande, einen Rat zu erteilen.«
    Der Mann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher