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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke
Autoren: Anaconda
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sprang von seinem Stuhl auf und schritt erregt im Zimmer auf und ab. Zuletzt riss er mit einer Gebärde der Verzweiflung die Maske vom Gesicht und warf sie zu Boden. »Sie haben recht«, rief er. »Ich bin der Fürst. Warum soll ich es zu verbergen suchen?«
    »Ja, warum eigentlich?«, murmelte Holmes. »Bevor Eure Hoheit ein Wort äußerten, wusste ich, mit wem ich die Ehre hatte zu unterhandeln.«
    Unser sonderbarer Besucher nahm wieder Platz und strich mit der Hand über seine hohe, weiße Stirn. »Aber Sie verstehen, Sie müssen verstehen, dass ich es nicht gewohnt bin, mich persönlich mit solchen Dingen zu befassen. Und doch konnte ich diese delikate Angelegenheit keinem Vermittler anvertrauen, ohne mich gänzlich in seine Hand zu geben. In der Hoffnung auf Ihren Rat bin ich inkognito nach London gekommen.«
    »Dann bitte sprechen Eure Hoheit«, sagte Holmes, wieder die Augen schließend.
    »Die Tatsachen sind in Kürze folgende: Vor fünf Jahren machte ich während eines längeren Aufenthalts in Warschau die Bekanntschaft einer wohlbekannten Abenteurerin: Irene Adler. Der Name wird Ihnen wahrscheinlich nicht fremd sein.«
    »Seien Sie doch so gut, Doktor, und schlagen Sie in meinem Verzeichnis nach«, sagte Holmes, ohne die Augen zu öffnen. Schon vor Jahren hatte er angefangen, alles ihm wichtig Erscheinende, mochte es nun Menschen oder Dinge betreffen, systematisch einzutragen, sodass man kaum eine Person oder Sache erwähnen konnte, von der er nichts Näheres zu berichten wusste. Diesmal fand ich die gesuchte Biografie zwischen der eines hebräischen Rabbiners und der eines Contre-Admirals, des Verfassers einer Abhandlung über die Tiefseefische.
    »Nun wollen mir mal sehen«, meinte Holmes. »Hm! Geboren in New Jersey im Jahr 1858. Altstimme, hm. La Scala, hm! Primadonna an der kaiserlichen Oper in Warschau – ja! Von der Bühne zurückgetreten – aha. Lebt in London – ganz recht! Eure Hoheit knüpften nun mit dieser jungen Person Beziehungen an und schrieben ihr einige kompromittierende Briefe, deren Rückgabe jetzt wünschenswert wäre. Ist es nicht so?«
    »Ganz genau so – aber wie …«
    »Hat eine heimliche Ehe stattgefunden?«
    »Nein.«
    »Es existieren auch keine Verträge oder Abmachungen?«
    »Keine.«
    »Dann begreife ich Eure Hoheit nicht recht. Wenn diese junge Person die fraglichen Briefe behufs Erpressung oder zu anderen Zwecken benutzen wollte, wie vermöchte sie dann deren Echtheit zu beweisen?«
    »Aber die Handschrift?«
    »Pah! Fälschung!«
    »Doch mein besonderes Briefpapier?«
    »Ist gestohlen.«
    »Mein Siegel?«
    »Nachgeahmt.«
    »Meine Fotografie?«
    »Gekauft.«
    »Aber wir sind ja beide zusammen auf dem Bild.«
    »O weh! Das ist sehr böse. Damit haben Hoheit allerdings eine Unvorsichtigkeit begangen.«
    »Ich war verrückt – von Sinnen.«
    »Euer Hoheit haben sich ernstlich kompromittiert.«
    »Ich war damals noch sehr jung und nicht an der Regierung. Ich zähle jetzt erst dreißig.«
    »Das Bild muss wieder herbeigeschafft werden.«
    »Bis jetzt war alles vergebens.«
    »Haben Sie es mit Geld versucht?«
    »Sie gibt es um keinen Preis her.«
    »Na, dann wird es gestohlen.«
    »Das ist schon fünf Mal versucht worden. Zweimal ließ ich in ihrer Wohnung einbrechen, einmal wurde ihr Gepäck auf einer Reise durchstöbert. Zweimal wurde sie überfallen. Alles umsonst.«
    »Keine Spur davon?«
    »Nicht die geringste.«
    Holmes lachte. »Die kleine Geschichte ist ja recht nett.«
    »Aber für mich ist sie verteufelt ernst«, meinte der Fürst vorwurfsvoll.
    »Das stimmt. Was beabsichtigt sie nur mit der Fotografie?«
    »Sie will mich ins Unglück stürzen.«
    »Wie das?«
    »Ich stehe im Begriff, mich zu verheiraten.«
    »Ich hörte davon.«
    »Und zwar mit Klothilde, der zweiten Tochter des Königs von … Sie kennen wahrscheinlich die starren Grundsätze dieser Familie, die Prinzessin selbst ist die personifizierte Empfindsamkeit. Fiele der leiseste Schatten auf mich, würde man den Plan sofort aufgeben.«
    »Und Irene Adler?«
    »Droht, ihnen das Bild zu schicken. Sie tut es auch, ich weiß, dass sie es tut; Sie kennen ihren eisernen Willen nicht. Ach, ihr liebliches Madonnenantlitz verrät ja leider nichts davon. Es gibt nichts, dessen sie nicht fähig wäre, um diese Heirat zu verhindern, absolut nichts!«
    »Es ist gewiss, dass sich das Bild noch in ihrem Besitz befindet?«
    »Sicher.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie hat geschworen, es erst am Tag der Bekanntmachung
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