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Sharras Exil

Sharras Exil

Titel: Sharras Exil
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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verängstigt jammerte nach seiner Mutter, die tot war, und nach seinem Vater, den es halb fürchtete, halb liebte. Und ich wusste, wo Marja war. Regis, dessen Schultern sich unter seiner neuen und schrecklichen Bürde beugten, dessen Haar in dieser alle Kräfte verzehrenden Schlacht weiß geworden war, wandte sich müde der Burg zu. Hatte sein Großvater den Kampf überlebt, der alle Comyn gepackt haben musste?
    Ja, Danilo ging zu ihm und kümmerte sich um ihn, lieh ihm Kraft …
    Auch Regis hörte das Weinen und sah mich mit erschöpftem Lächeln an.
    »Geh und sieh nach deiner Tochter, Lew. Sie braucht dich, und …« – so unglaublich es war, er lächelte von neuem – »… sie ist zwar alt genug, die Gabe zu besitzen, aber nicht alt genug, sie in erträglichen Schranken zu halten. Wenn du nicht gehst und sie tröstest, wird sie alle in der Burg – alle in der Stadt – mit ihrem Gejammer in den Wahnsinn treiben!«
    Und ich trat ein und lief, ohne mich zu besinnen, die Treppe zu dem einzigen Teil der Burg hinauf, wo ich, wie Dyan gewusst hatte, nicht nach Marja suchen würde, wo sie sicher versteckt war. Es waren die Ridenow-Räume, die Lerrys und Dio geteilt hatten. Und als ich durch die große Eingangstür in den leeren Raum stürmte, sah ich Dio mit Marja auf dem Schoß. Doch Dio konnte das weinende, um sich schlagende Kind nicht beruhigen, bis ich mich über sie beugte und sie beide in meine Arme schloss. Marja hörte auf zu schluchzen und drehte sich mir zu. Das telepathische Schreien verstummte plötzlich, nur ein leise schluchzender Schluckauf blieb. Sie klammerte sich an mich. »Vater! Vater! Ich hatte solche Angst, und du kamst und kamst nicht, und ich war ganz allein, ganz allein, und da war Feuer, und ich schrie und schrie, und niemand hörte mich, außer dieser fremden Dame, die zu mir kam …«
    Ich beendete diesen hysterischen Ausbruch, indem ich sie an mich zog.
    »Es ist ja alles gut, Chiya «, tröstete ich sie und legte einen Arm um Marja, den anderen um Dio. »Es ist alles gut, Vater ist hier …« Ich konnte mit Dio kein Kind zeugen. Aber dieses Kind von meinem eigenen Blut hatte das über die Comyn hereingebrochene Verhängnis irgendwie überlebt … und niemals mehr würde ich mich über die Macht der Liebe lustig machen, die uns beide gerettet hatte. Ich hatte sterben wollen, aber ich lebte, und wunderbarerweise war ich trotz allem froh, am Leben zu sein, und das Leben war gut zu mir.
    Lachend setzte ich Marja ab und nahm wieder Dio in meine Arme. Sie hat niemals eine Frage nach Callina gestellt. Vielleicht wusste sie es, vielleicht war sie Teil dieser großen Schlacht gewesen, an der ich schon jetzt zu zweifeln begann – hatte sie tatsächlich oder nur in meinen Gedanken stattgefunden? Das frage ich mich heute noch.
    »Wir haben gerade noch Zeit«, sagte ich, »Einspruch zu erheben und diese terranische Scheidung nicht wirksam werden zu lassen. Ich glaube, es ist noch keine zehn Tage her – oder bin ich ganz aus dem Rhythmus des Zeitablaufs gekommen?«
    Dios Lippen verzogen sich zu einem zitterigen Lächeln. »Nein, es sind noch nicht ganz zehn Tage.«
    Marja unterbrach uns, indem sie von neuem ein telepathisches Geschrei erhob. Ich habe Hunger! Und Angst! Hör auf, sie zu küssen, und halte mich fest!
    Dio zog sie zwischen uns. »Wir werden dir sofort ein riesiges Frühstück besorgen, Chiya «, sagte sie sanft, »und dann wird dir irgendwer die Grundregeln für das Leben in einer Telepathen- Familie beibringen müssen. Wenn du das jedes Mal tust, sooft ich deinen Vater küsse – oder bei anderen Gelegenheiten –, dann, kleine Tochter, fürchte ich, dass ich anfangen werde, Geräusche wie die böse Stiefmutter aus den alten Märchen von mir zu geben! Deshalb musst du als Erstes Manieren lernen!«
    Kaum zu glauben, aber das brachte uns alle drei zum Lachen. Und dann gingen wir in die terranische Zone, um ein unnötiges Scheidungsbegehren zurückzuziehen. Irgendwo unterwegs – ich habe vergessen, wo – machten wir Halt und aßen an einem Imbissstand frisches, warmes Brot und Haferbrei. Und für jeden, der uns ansah, war es ganz selbstverständlich, dass ich mit meiner Frau und meiner Tochter zum Frühstück ausgegangen war. Und ich stellte fest, dass mir das gefiel. Ich bildete mir nicht mehr ein, alle Leute starrten nur auf meine Narben.
    Wenn Dio Marja nicht akzeptiert hätte … aber eine solche Frau war Dio nicht. Sie hatte mein Kind gewollt, und jetzt hatte ich mein Kind in
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