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Sharras Exil

Sharras Exil

Titel: Sharras Exil
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sie in einen Sessel und winkte jemandem zu, Riechsalz zu bringen. Nach einer Minute öffnete Callina die Augen, aber sie schwankte und fasste nach den Armlehnen. Kathie trat schnell zu ihr und hielt sie fest. Einer vom medizinischen Personal erhob Einspruch. Kathie runzelte die Stirn: »Ich bin Krankenschwester; ich werde mich um sie kümmern. Sie sollten sich lieber Mr. Montray-Altons annehmen! Die Frau hat ihn mit einem Dolch verletzt, und es sieht aus, als sei die Wunde tödlich – als der Hubschrauber landete, lebte er noch, aber das will nicht viel heißen.«
    Regis jedoch blickte auf das lange Schwert, das Kathie hatte auf den Boden gleiten lassen, und plötzlich erwachte etwas in ihm, in seinem Blut und rief in seinen Adern:
    DAS GEHÖRT MIR!
    Er ging hin und nahm es auf. Es fühlte sich warm und richtig in seinen Händen an. Callina öffnete die Augen und betrachtete ihn mit einem merkwürdigen, kalten, blauen Starren.
    In dem Augenblick, als Regis das Schwert in der Hand hielt und auf die verschlungenen Buchstaben der Stickerei nieder sah, hatte er das Gefühl, überall zu sein, nicht nur da, wo sein Körper weilte, sondern als hätten die Begrenzungen seines Körpers sich ausgedehnt, um alles in diesem Raum zu umfassen. Er berührte Callina und sah sie auf merkwürdige Weise doppelt, die Frau, die er kannte, die zurückhaltende Bewahrerin, ruhig und züchtig und sanft, und gleichzeitig war sie überlagert von etwas anderem, kalt und blau und wachsam, wie Eis, fremd und hart wie Stein. Er berührte Dio und spürte die Flut ihrer Liebe, ihrer Besorgtheit und Furcht, er berührte Kadarin und zog sich zurück. DAS IST DER FEIND, DAS IST DIE SCHLACHT … NOCH NICHT, NOCH NICHT! Er berührte Lew.
    Schmerz. Kälte. Schweigen. Furcht und die verzehrende Flamme …
    Schmerz. Schmerz im Herzen, stechender Schmerz … Regis dehnte sich aus in den Schmerz, anders war es nicht zu beschreiben, fühlte die zerrissenen Zellen, das Ausbluten des Lebens … NEIN! DAS WILL ICH NICHT HABEN! Die tropfende Stille, die Lew war, erfüllte sich plötzlich mit furchtbarer Pein und dann mit Wärme und Leben. Und dann öffnete Lew die Augen, setzte sich auf und starrte Regis an. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er flüsterte: »Was … was bist du?«
    Und Regis hörte sich selbst aus weiter Ferne antworten: »Hastur.«
    Und das Wort hatte keine Bedeutung für ihn. Aber die klaffende Wunde hatte sich geschlossen, und rings um ihn standen die terranischen Mediziner, und die Augen fielen ihnen aus dem Kopf. In seiner Hand war dies Schwert, das jetzt mehr als die Hälfte seines Ichs auszumachen schien.
    Und plötzlich entsetzte Regis sich. Er ließ das Schwert zurück in die Scheide gleiten. Die Welt bestand wieder aus einem Stück, und er war von neuem in seinem Körper. Er bebte so heftig, dass er kaum stehen konnte.
    »Lew! Bredu – du lebst!«

 
Lew Altons Erzählung,
Schluß
 
4
     
    Ich habe keine Erinnerung an den Flug mit dem Hubschrauber zum terranischen HQ, und ich weiß nicht, wie ich in das Büro des Legaten gekommen bin. Als Erstes kam mir ein höllischer Schmerz und sein plötzliches Aufhören zu Bewusstsein.
    »Lew! Lew, kannst du mich hören?«
    Wie konnte ich das vermeiden? Sie brüllte mir ja direkt ins Ohr! Ich öffnete die Augen und sah Dio, das Gesicht nass vor Tränen.
    »Wein nicht, Liebes«, sagte ich, »mir fehlt nichts. Diese Höllenkatze Thyra hat nach mir gestochen, kann mich aber nicht sehr verletzt haben.«
    Dio wollte sich über mich beugen, aber Kathie winkte sie zurück und sagte mit professioneller Strenge: »Einen Augenblick; sein Puls war fast verschwunden.« Sie ergriff irgendein Instrument und schnitt mein Hemd weg. Dann hörte ich sie nach Luft schnappen.
    Wo Thyras Messer eingedrungen war – gefährlich nahe dem Herzen –, war nur eine kleine, längst geschlossene Narbe, blasser und besser verheilt als die Narben in meinem Gesicht.
    »Das glaube ich nicht«, protestierte sie. »Ich habe es gesehen, und trotzdem glaube ich es nicht.« Sie nahm etwas Kaltes und Nasses und wusch mir die noch klebrigen Blutflecken von der Haut. Bedauernd blickte ich auf das ruinierte Hemd.
    »Gebt ihm ein Uniformhemd oder so etwas«, sagte Lawton, und sie holten mir eins, aus Papier oder einer ähnlichen nicht gewebten Faser hergestellt. Der Stoff fühlte sich kalt und ziemlich schlüpfrig an, was mir unangenehm war, aber in meiner Lage durfte ich nicht wählerisch sein. Außerdem brachten die medizinischen
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