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Sharpes Weihnacht

Sharpes Weihnacht

Titel: Sharpes Weihnacht
Autoren: Bernard Cornwell
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sein und ihm helfen würde, die britische Linie mit seiner Kolonne zu durchbrechen. Aber seine Kolonne war zerschlagen worden, und seine Zwangsverpflichteten waren nun ängstlicher denn je.
    Picard trank aus einer Brandyflasche. Es war drei Uhr am Weihnachtsmorgen, doch er konnte nicht schlafen. Die Wolken hatten sich verzogen, und die Weihnachtssterne strahlten hell, doch in Général Picards Herz herrschte Finsternis. »Gudin ist so gut wie erledigt«, sagte er zu seinem Stabschef, Major Santon. »Wenn wir diese Bastarde schon nicht schlagen konnten, was für Hoffnung soll er dann haben?«
    »Keine, mon général«, erwiderte Santon.
    »Mir ist egal, ob ich Gudin verliere oder nicht«, knurrte Picard, »aber warum müssen wir auch Caillou verlieren? Also, das ist mal ein Soldat! Und wenn wir Caillou verlieren, wissen Sie, was wir dann auch noch verlieren, Santon?«
    »Den Adler, mon général.«
    »Ja, den Adler«, sagte Picard und zuckte unwillkürlich zusammen. »Wir werden einen Adler des Kaisers verlieren.« Er sprach die gefürchteten Worte langsam und bedächtig aus, und seine Augen füllten sich mit Tränen. »Die Niederlage ist mir egal, Santon«, log er, »aber ich kann die Vorstellung nicht ertragen, einen Adler zu verlieren. Ein Adler Frankreichs geht in Gefangenschaft.« Santon schwieg, denn es gab auch nichts zu sagen. Für einen Soldaten Frankreichs gab es keine größere Schande, als einen Adler zu verlieren, und in den dunklen Hügeln über ihnen schwebte ein Adler in allergrößter Gefahr. »Ich kann alles ertragen«, sagte Picard, »aber das nicht.«
    Dann brach über ihnen die Hölle los.

    Für die geschlagene französische Brigade im tiefer gelegenen Tal klang die Schlacht wie das Ende der Welt. Sicher, es gab kein Geschützfeuer, aber die wenigen Veteranen unter Picards Männern erklärten, noch nie solch ein Musketenfeuer gehört zu haben. Eine Salve folgte auf die andere, und die Schüsse hallten von den Bergen wider. In der Ferne hörten sie Schreie und Rufe und manchmal auch ein Hornsignal, aber vor allem hörten sie das nicht enden wollende Feuern der Musketen. Es waren so viele Salven, dass sie schließlich zu einem einzigen, kontinuierlichen Geräusch verschmolzen: einem tiefen, alles zermalmenden Grollen wie das Knarren der Höllentore.
    »Wir sollten raufgehen und ihnen helfen«, verkündete Picard und stand auf.
    »Das geht nicht, mon général«, erklärte Santon und deutete zur Kuppe hinauf, wo noch immer eine britische Linie Wache hielt. Inzwischen war der Mond aufgegangen, und jeder Franzose, der den Hang hinaufstieg, würde ein perfektes Ziel für die Riflemen abgeben. »Gudin muss das allein durchstehen«, fügte Santon hinzu.
    Und Gudin musste kämpfen, wie er noch nie in seinem Leben gekämpft hatte, denn das Musketenfeuer ließ nicht nach, sondern wurde sogar noch intensiver. Picard nahm allerdings an, dass Caillou dort kämpfte, denn der arme alte Gudin hätte sich nie zu einer solchen Schlacht aufgerafft. Dann und wann war ein Blitz am Himmel zu sehen und verriet, wo gerade eine Salve abgefeuert wurde, und es dauerte nicht lange, da kroch der Schwefelgestank von Schießpulver über die Kuppe und waberte ins Tal herab. Und noch immer krachten die Musketen.
    Oben am Pass lud Sharpe sein Gewehr. Dank jahrelanger Erfahrung lud er die Waffe mit schier unglaublicher Schnelligkeit, dann drückte er sie sich gegen die Schulter, hielt den Lauf in die Luft und drückte ab. »Schneller!«, brüllte er. »Schneller!«
    Und überall um ihn herum durchlöcherten die Rotröcke den Himmel. Salve um Salve feuerten sie zu den Sternen, und zwischen den Salven schrien und grölten sie wie die Teufel. »Heute Nacht tun mir die Engel im Himmel richtig leid, Sir«, bemerkte Sergeant Major Patrick Harper Captain d’Alembord gegenüber. »Sie werden wohl die eine oder andere Flügelfeder verlieren.« Und dann feuerte Harper mit seinem Salvengewehr auf den Mond, und unten im Tal ließ der ohrenbetäubende Knall die Franzosen nach Luft schnappen, fest davon überzeugt, dass doch noch Artillerie an der Schlacht teilnahm.
    »Schneller!«, schrie Sharpe. »Vite! Vite!« Ein Trupp Franzosen drückte ab und schoss auf den Schnee auf den höchsten Gipfeln.
    Daniel Hagman schlenderte gelassen durch all das Chaos und den Lärm. »Es ist ein Mädchen, Sir!«, rief er Colonel Gudin zu.
    »Ein Mädchen?«, erwiderte Gudin. »Also an Weihnachten hätte ich eher mit einem Jungen gerechnet.«
    »Es ist ein
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