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Sharpes Weihnacht

Sharpes Weihnacht

Titel: Sharpes Weihnacht
Autoren: Bernard Cornwell
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waren geladen. Sharpe trat in die Linie zurück und versuchte, die Franzosen nicht zu bemitleiden, die er gleich töten würde. Wie Lämmer zur Schlachtbank, dachte er.
    »Linie!«, brüllte Sharpe. »Ausrichten!«
    Die Musketen wurden an die Schultern gehoben. Die erste Reihe der Franzosen geriet bei dem Anblick ins Wanken, wurde aber von den Männern dahinter vorwärtsgeschoben.
    »Feuer!«, schrie Sharpe, und sein gesamtes Bataillon feuerte gleichzeitig in einem einzigen tödlichen Schlag. »Zugweise feuern!«, befahl Sharpe, noch bevor das Echo der Salve verhallt war. »Aus dem Zentrum!«
    Sharpe konnte den Feind jetzt nicht mehr sehen. Er war hinter einer dichten grau-weißen Wolke Pulverdampf verborgen. Doch er konnte sich ihr Entsetzen vorstellen. Vermutlich war die gesamte erste Reihe der Franzosen entweder tot oder tödlich verwundet, wie auch die meisten in der zweiten Reihe, und die nachrückenden Männer stolperten nun über die Leichen und Verwundeten. Und dann, kaum dass sie Zeit gehabt hatten, sich von der ersten Salve zu erholen, feuerten die Rotröcke zugweise. »Tief halten!«, schrie Sharpe. »Tief halten!«
    Eine Kolonne war wie ein Rammbock, darauf ausgerichtet, unzureichend ausgebildeten Soldaten das Gefühl zu verleihen, Teil von etwas Größerem zu sein, doch die Männer im Zentrum einer Kolonne konnten ihre Musketen nicht einsetzen, da sie ihre Kameraden sonst verletzen würden, während die Männer in den Außenbereichen dem ständigen mörderischen Feuer der Rotröcke ausgeliefert waren. Deren Linie war nur zwei Mann tief und damit wesentlich breiter als die Kolonne, weshalb die Franzosen nicht nur von vorn, sondern auch von den Seiten Feuer bekamen. Mehr und mehr geriet der Feind ins Wanken.
    Die Luft war von Schwefelgestank erfüllt. Die Gesichter der Rotröcke waren voller Pulverflecken und die Fetzen der Papierpatronen, die bei jedem Schuss aus den Läufen gespuckt wurden, glommen im Gras. Inzwischen schossen Sharpes Männer vor lauter Pulverdampf vollkommen blind. Sie ließen den Tod auf einen schmalen Bereich herabregnen, und sie luden und feuerten immer weiter, und Sharpe sah nicht einen einzigen Mann seines Regiments fallen. Und er hörte auch keinen einzigen französischen Schuss. Es war die alte Leier. Eine französische Kolonne wurde von einer britischen Linie unter Feuer genommen, und die Spitze sowie die Flanken der Kolonne wurden von britischem Musketenfeuer zermalmt und das Zentrum in Blut getaucht.
    »Sie laufen, Sir! Sie laufen!« Sharpe hatte Ensign Nicholls ein gutes Stück neben der Linie postiert, von wo aus er am Rauch vorbeisehen konnte. »Sie laufen, Sir!«, rief Nicholls aufgeregt, als hätte er den Fuchs bei einer Jagd entdeckt. »Sie laufen, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her!«
    »Feuer einstellen!«, bellte Sharpe. »Feuer einstellen!«
    Langsam verzog sich der Pulverdampf und gab den Blick auf den Schrecken im Wintergras frei. Blut und zerfetzte Leiber. Eine Kolonne war auf eine Linie getroffen. Sharpe wandte sich ab. »Mister d’Alembord!«
    »Sir?«
    »Nehmen Sie sich eine weiße Fahne und reiten Sie zur Südstraße. Finden Sie den Kommandanten der Garnison. Sagen Sie ihm, wir hätten eine französische Brigade zerschlagen und ihm werde es genauso ergehen, wenn er sich nicht ergibt.«
    »Sir, Sir! Bitte, Sir!« Das war Ensign Nicholls, der neben d’Alembord auf und ab hüpfte. »Darf ich ihn begleiten, Sir? Bitte, Sir. Ich habe noch nie einen Froschfresser gesehen! Nicht aus der Nähe jedenfalls, Sir.«
    »Sie haben Schwänze und Hörner«, sagte d’Alembord und lächelte, als Nicholls ihn mit großen Augen anstarrte.
    »Wenn Sie sich ein Pferd borgen können«, sagte Sharpe zu seinem Ensign, »dann dürfen Sie Mister d’Alembord begleiten. Aber halten Sie den Mund. Überlassen Sie Mister d’Alembord das Reden.«
    »Jawohl, Sir«, sagte Nicholls und lief glücklich los, während sich Sharpe wieder nach Norden wandte. Die Franzosen liefen in Panik davon, und er bezweifelte, dass sie noch einmal zurückkommen würden, aber er war auch nicht bereit, sich um ihre Verwundeten zu kümmern. Er hatte weder die Männer noch die Vorräte dafür. Also musste jemand mit einer Parlamentärsfahne zu ihnen hinunter und ihnen erklären, dass sie die blutige Sauerei auch wieder beseitigen mussten, die sie selbst zu verantworten hatten. Genau das Richtige zu Weihnachten.

    Colonel Caillou beobachtete, wie Colonel Gudin auf die beiden Reiter in den roten Röcken
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