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Sharpes Feuerprobe

Titel: Sharpes Feuerprobe
Autoren: Bernard Cornwell
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und der Mann, der die Eskorte Tippus anführte, wurde vom Eingang des Tunnels zurückgeschleudert. Blut spritzte aus seinem zerschmetterten Schädel. Vor dem Sonnenschein am Ende des Tunnels sahen die Blutstropfen wie gepuderte Rubine aus. Der Mann fiel schreiend.
    Tippu, entsetzt vom plötzlichen Tod des Leibwächters, verharrte jäh, und hinter ihm kündigte ein schreckliches Rumoren an, dass sich die angreifenden Rotröcke der Mündung des Tunnels näherten. Die Leibwächter wandten sich um, um sich den Angreifern mit aufgepflanztem Bajonett entgegenzustellen.
    »Gehen Sie, Hoheit!« Ein verwundeter Adjutant stieß Tippu ein Gewehr in die Hände und wagte dann, ihn in den Tunnel zu schieben.
    Tippu ließ sich in den Schatten schieben, blieb jedoch nahe an der Mündung des Tunnels und starrte in das nebelhafte Halbdunkel. War der Feind dort? Er konnte ihn wegen des Rauchs und der Düsternis nicht sehen. Hinter ihm krachten Musketen, und Flüche ertönten, als wieder ein Leibwächter fiel. Die Leichen der beiden getöteten Leibwächter bildeten eine schreckliche Barrikade, die Tippu schützte, doch was wartete vor ihm?
    Er spähte angespannt und zögerte, durch den Tunnel zu gehen, doch sein Adjutant packte ihn am Ellbogen und zog ihn tiefer in das Halbdunkel. Die wenigen verbliebenen Leibwächter verteidigten den Tunnel mit Bajonetten, stießen damit nach den verrückten Rotröcken, die versuchten, über den blutigen Haufen von Leichen hinwegzuklettern.
    »Das Tor öffnen!«, rief der Adjutant. Dann sah er den Schatten am Ende des Tunnels und ging auf ein Knie nieder, um mit seinem juwelenbesetzten Gewehr darauf zu zielen. Er feuerte.
    Sharpe warf sich zur Seite, als das Gewehr krachte. Er hörte, wie die Kugel von der Tunnelwand abprallte und als Querschläger in das Tor aus Teakholz schlug. Dann sah er, dass der Adjutant eine lange Pistole aus seiner Schärpe zog. Sharpe feuerte als Erster, und sein Musketenschuss hallte wie ein Donnern durch den Tunnel. Die Kugel schleuderte den Adjutanten zurück in eine Pfütze, und plötzlich waren nur Tippu und Sharpe übrig.
    Sharpe stand auf und grinste Tippu an.
    »Bastard«, sagte er und sah den Rubin am Helmbusch seines Feindes funkeln. »Bastard«, murmelte er noch einmal. Er hatte noch eine geladene Muskete. Tippu hielt ein Gewehr. Sharpe trat auf ihn zu.
    Tippu erkannte das harte, blutige Gesicht im Halbdunkel. Er lächelte. Das Schicksal ist merkwürdig, dachte er. Warum habe ich diesen Mann nicht töten lassen, als ich die Chance gehabt habe?
    Hinter ihm starben seine Leibwächter, und die siegreichen Rotröcke plünderten ihre Leichen, während vor ihm die Freiheit und das Leben waren – und ein Mann, dem Tippu Gnade erwiesen hatte. Nur ein einziger Mann.
    »Bastard«, sagte Sharpe wieder. Er wollte nahe bei Tippu sein, wenn er ihn tötete, nahe genug, um ganz auf Nummer sicher zu gehen.
    Hinter Tippu wurde das strahlende Tageslicht von wallendem Pulverrauch verhüllt, wo sterbende Männer ächzten und siegreiche Männer plünderten.
    »Gnade ist Gottes Vorrecht, nicht das des Menschen«, sagte Tippu auf Persisch, »und ich hätte niemals gnädig zu dir sein sollen.«
    Er richtete das Gewehr auf Sharpe und drückte ab, doch es fiel kein Schuss. In der Panik der letzten Sekunden hatte der Adjutant Tippu ein ungeladenes Gewehr in die Hände gedrückt, und der Funken des Feuersteins fiel auf eine leere Pfanne.
    Tippu lächelte, warf das Gewehr beiseite und zog seinen Säbel mit dem Tigergriff aus der Scheide. Blut lief über seinen Arm, und mehr Blut tropfte auf seine Chintzhose, doch er zeigte keine Furcht, er schien den Moment sogar zu genießen.
    »Wie sehr ich deine verfluchte Rasse hasse«, sagte er ruhig und drosch mit dem Säbel durch die rauchige Luft.
    Sharpe verstand Tippu ebenso wenig wie der ihn.
    »Du bist ein fetter kleiner Bastard«, sagte Sharpe, »und du hast mir meine Medaille abgenommen. Ich wollte sie. Es ist die einzige Medaille, die ich jemals bekommen habe.«
    Tippu lächelte nur. Sein Helm war in die Quelle des Lebens getaucht worden, aber sie hatte nicht geholfen. Der Zauber hatte versagt, und es blieb nur Allah. Tippu wartete darauf, dass der Rotrock schoss. Dann ertönte von der Mündung des Tunnels ein Ruf, und Tippu wandte den Kopf, hoffte, dass ein letzter Leibwächter gekommen war, um ihn zu retten.
    Doch es kam keine Rettung, und Tippu wandte sich wieder Sharpe zu.
    »Ich habe gestern Nacht vom Tod geträumt«, sagte er auf Persisch,
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