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Sharpes Festung

Titel: Sharpes Festung
Autoren: Bernard Cornwell
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sowohl in der Offiziersmesse als auch von den Mannschaften ausgeschlossen wurde, sondern eher daran, dass er ein Fremder war. Das 74. Regiment war bei Assaye besiegt worden. Kein Offizier war unverwundet geblieben, und Kompanien, die vor der Schlacht siebzig oder achtzig Mann stark gewesen waren, hatten jetzt nur vierzig bis fünfzig Männer. Das Regiment war durch die Hölle und zurück gegangen, und die Überlebenden klammerten sich jetzt aneinander. Sharpe mochte bei Assaye gewesen sein, er mochte sich sogar auf dem Schlachtfeld ausgezeichnet haben, aber er hatte nicht das mörderische Martyrium des 74. Regiments erleiden müssen, also war er ein Außenseiter.
    »Linie zur Rechten bilden!«, rief Sergeant Colquhoun, und die Kompanie schwenkte nach rechts ab und formierte sich zu einer Linie aus zwei Reihen. Der Graben im Hirsefeld hatte sich mit einem breiten, ausgetrockneten Flussbett vereinigt, und Sharpe blickte nach Norden und sah eine Spur von schmutzig weißem Pulverrauch am Horizont. Marathen-Geschütze, jedoch weit entfernt. Jetzt, da das Regiment nicht mehr von der hohen Hirse umgeben war, nahm Sharpe leichten Wind wahr. Er war nicht stark genug, um in der Hitze zu kühlen, doch er würde den Pulverrauch langsam fortwehen.
    »Halt!«, rief Urquhart.
    Die feindlichen Kanonen mochten weit entfernt sein, doch es schien, als würde das Regiment das Flussbett hinauf in die Mündungen dieser Geschütze marschieren. Immerhin war das 74. nicht allein. Das 78., ein weiteres Highland-Regiment, befand sich zu seiner Rechten, und auf jeder Seite dieser beiden schottischen Einheiten rückten lange Reihen von Madras-Sepoys vor.
    Urquhart ritt zu Sharpe zurück. »Stevenson ist zu uns gestoßen.« Der Captain sprach laut genug, damit der Rest der Kompanie ihn verstehen konnte. Er ermunterte sie, indem er sie wissen ließ, dass sich die beiden kleinen britischen Armeen vereinigt hatten. General Wellesley kommandierte beide, doch wie meist teilte er seine Streitkräfte in zwei Einheiten, die kleinere unter Colonel Stevenson. Heute hatten sich die beiden Einheiten jedoch vereinigt, sodass zwölftausend Infanteristen gemeinsam angreifen konnten. Gegen wie viele Feinde? Sharpe konnte die Marathen-Armee jenseits ihrer Geschütze nicht sehen, doch zweifellos waren die Bastarde dort.
    »Das bedeutet, dass das 94. irgendwo links von uns sein muss«, fügte Urquhart laut hinzu, und einige der Männer murmelten Zustimmendes zu der Nachricht. Das 94. war ein anderes schottisches Regiment, also griffen heute drei schottische Regimenter die Marathen an, drei schottische und zehn Sepoy-Bataillone, und die meisten der Schotten nahmen an, dass sie den Job allein erledigen konnten. Auch Sharpe war dieser Meinung. Vielleicht mochten sie ihn nicht besonders, doch er wusste, dass sie gute Soldaten waren. Harte Bastarde. Manchmal versuchte er sich vorzustellen, wie es für die Marathen sein musste, gegen die Schotten zu kämpfen. Höllisch, nahm er an. Die absolute Hölle. »Es bedarf zweimal so viel, einen Schotten zu töten, als einen Engländer zu erledigen«, hatte Colonel McCandless einmal gesagt, und Sharpe hatte es sich gemerkt.
    Der arme McCandless. Er war gefallen, erschossen beim Kampf um Assaye. Jeder aus den Reihen des Feindes hätte den Colonel getötet haben können, doch Sharpe war überzeugt, dass der verräterische Engländer William Dodd den tödlichen Schuss abgegeben hatte. Und Dodd war noch frei, kämpfte immer noch für die Marathen, und Sharpe hatte an McCandless’ Grab geschworen, dass er den Schotten rächen würde. McCandless war ein guter Freund gewesen, und jetzt lag der Colonel so tief begraben, dass kein Aasfresser an seine Leiche heran konnte, und Sharpe fühlte sich ohne Freund in dieser Armee.
    »Geschütze!«, ertönte ein Ruf hinter der Kompanie. »Platz machen!«
    Zwei Batterien Sechspfünder-Geschütze wurden das ausgetrocknete Flussbett hochgezogen, um eine Artillerie-Linie vor der Infanterie zu bilden. Die Geschütze wurden »Galopper« genannt, weil sie leicht waren und für gewöhnlich von Pferden gezogen wurden, aber jetzt waren Gespanne von zehn Ochsen davor gespannt, sodass sie mehr dahintrotteten als galoppierten. Die Hörner der Ochsen waren angemalt, und einige der Tiere trugen Glöckchen um den Hals. Die schweren Geschütze waren alle irgendwo auf der Straße zurückgeblieben, so weit zurück, dass sie vielleicht zu spät für die Party des Tages kommen würden.
    Das Gebiet war jetzt offener.
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