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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb
Autoren: Jonathan Kellerman
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sein.«
    »Ja«, sagte er. »Aber andererseits hatten wir Zeit zur Vorbereitung. Es gab frühe Anzeichen - Vergesslichkeit, Konzentrationsunfähigkeit - aber er war immer ein Exzentriker. Seine Ticks verbargen es eine Weile. Dass er sich mit Cross in Verbindung setzte, war das Erste, was mich aufhorchen ließ - es widersprach völlig seinem Charakter. Leland war immer peinlich auf den Schutz seiner Intimsphäre bedacht gewesen, verabscheute Journalisten jedweden Schlages. Eine Veränderung seines Verhaltens, die anzeigte, dass etwas nicht mit ihm stimmte.«
    »Wie in der Playboyphase, die seinem Zusammenbruch vorausging.«
    »Ernster. Das da war permanent. Organisch. Ich begreife jetzt: Er merkte, dass sein Bewusstsein allmählich erlosch, und er wollte, dass man ihn verewigte.«
    »Die Dinge, die Cross beschrieb - das lange Haar und die langen Nägel, der Altar, der offen demonstrierte Stuhlgang - es gab das alles wirklich, diese Symptome.«
    »Das Buch war ein Schwindel«, sagte er. »Fiktiver Dreck.«
    Wir fuhren weiter.
    Ich sagte: »Wie praktisch von Belding, in dem Augenblick zu sterben. Es ersparte ihm - und Ihnen - die Konfrontation mit Sharon und Sherry«
    »Ganz selten meint es die Natur auch einmal gut mit uns.«
    »Wenn sie es nicht so gut gemeint hätte, wäre Ihnen, dessen bin ich sicher, etwas eingefallen. So kann er für sie eine wohlwollende Figur bleiben. Sie wird nie erfahren, dass er sie töten wollte.«
    »Meinen Sie, dass es aus therapeutischer Sicht für sie gut wäre, das zu wissen?«
    Ich antwortete nicht.
    »Meine Rolle im Leben«, sagte er, »ist es, Probleme zu lösen, und nicht, welche zu schaffen. In dem Sinn bin ich ein Heiler. Genau wie Sie.«
    Die Analogie beleidigte mich weniger, als ich es mir vorgestellt hätte. Ich fragte: »Sich um andere zu kümmern ist wirklich Ihr Beruf gewesen, nicht wahr? Belding - alles von seinem Geschlechtsleben bis zu seinem Bild in der Öffentlichkeit, und als das schwer wurde, als er ein Nachtleben wollte, waren Sie da, um als leitender Angestellter die Verantwortung zu übernehmen. Ihre Schwester, Sherry, Sharon, Willow Glen, die Corporation - wird Ihnen das alles nicht manchmal lästig?«
    Ich meinte ihn in der Dunkelheit lächeln zu sehen, war sicher, dass er sich an die Kehle tippte und eine Grimasse schnitt, als ob es zu schwer wäre zu reden.
    Mehrere Meilen später fragte er. »Haben Sie sich entschieden, Doktor?«
    »Inwiefern?«
    »Ob Sie noch weiter herumsuchen wollen.«
    »Meine Fragen sind alle beantwortet. Wenn Sie das meinen.«
    »Was ich meine, ist: Werden Sie weiter Staub aufwirbeln und das ruinieren, was vom Leben einer sehr kranken jungen Frau noch übrig ist?«
    »Nicht viel von einem Leben«, sagte ich.
    »Besser das als jede Alternative. Man wird sich sehr gut um sie kümmern«, sagte er. »Sie abschirmen. Und die Welt wird vor ihr geschützt sein.«
    »Was geschieht, wenn Sie tot sind?«
    »Es gibt da Nachfolger. Kompetente Leute. Einen Führungsstab. Alles ist vorbereitet.«
    »Führungsstab«, wiederholte ich. »Belding war ein Cowboy, hatte nie einen. Aber sobald er tot war, wurde das anders. Als es niemanden mehr gab, der am laufenden Band Patente hervorbrachte, mussten Sie kreative Leute hinzuholen, die Struktur des Unternehmens ändern. Damit wurde Magna leichter verletzlich gegenüber Angriffen von außen - Sie mussten Ihre Machtbasis konsolidieren. Alle drei Belding-Töchter unter den Daumen zu bekommen war ein großer Schritt in diese Richtung. Wie haben Sie es geschafft, dass Sherry von ihren Drohungen mit den Gerichten Abstand nahm?«
    »Ganz einfach«, erklärte er. »Ich lud sie zu einer Besichtigungstour durch die wichtigsten Abteilungen des Unternehmens ein - durch unser Forschungs- und Entwicklungszentrum mit dem Neuesten, was es auf dem Gebiet der High Technology gab. Ich sagte, ich würde liebend gern von meinem Posten zurücktreten und ihr die Leitung übergeben - sie könne die neue Vorsitzende von Magna sein, die Verantwortung für fünfzigtausend Mitarbeiter und Tausende von Projekten übernehmen. Der bloße Gedanke machte ihr schon Angst, sie war keine Intellektuelle, konnte nicht mal richtig einen Scheck ausfüllen. Sie rannte aus dem Haus. Ich holte sie ein und schlug ihr etwas anderes vor.«
    »Geld.«
    »Mehr als sie in mehreren Lebenszeiten hätte ausgeben können.«
    »Jetzt ist sie tot«, sagte ich. »Da brauchen Sie nicht mehr zu zahlen.«
    »Doktor, Sie haben eine äußerst naive Ansicht vom Leben.
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