Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Entschuldigung für die Ungelegenheit.«
    »Kein Problem. Danke.«
    »Möchten Sie etwas essen, Sir?«
    »Im Augenblick nicht.«
    Er verbeugte sich andeutungsweise und ging fort. Ich stand allein da, nippte an meinem Sodawasser und ließ die Augen über die Menge wandern auf der Suche nach einem freundlichen Gesicht.
    Die Menge, das sah man sofort, zerfiel in zwei unterschiedliche Gruppen - eine gesellschaftliche Spaltung wie zuvor bei den Wagenreihen.
    Die Bühnenmitte wurde von den großen Reichen, einer Versammlung wie von Schwänen, beherrscht. Tiefgebräunt und lässig in konservativer Haute Couture, begrüßten sie einander mit lockeren Wangenküssen, lachten leise und diskret, tranken unentwegt und nicht so diskret und nahmen die ethnisch diffuse Masse, die am Rande saß, nicht zur Kenntnis.
    Die Universitätsleute, verkrampft, randvoll mit nervösem Geplapper, schwatzten wie die Elstern. Sie fanden sich, grüblerisch veranlagt, in engen kleinen Cliquen zusammen und redeten hinter vorgehaltener Hand, während sie unstet hungrige Blicke in die Gegend warfen. Manche sahen verdächtig elegant in ihren Anzügen von der Stange und Partykleidern aus dem Sonderangebot aus; andere hatten sich betont schlicht gekleidet. Ein paar staunten immer noch über das Ambiente, aber die meisten begnügten sich damit, die Rituale der Schwäne mit einer Mischung aus unverhohlener Gier und analytischer Verachtung zu observieren.
    Ich hatte mein Sodawasser halb ausgetrunken, als ein Raunen durch den Innenhof - durch beide Lager - ging. Paul Kruse war erschienen und winkte fröhlich seinen Gästen zu. Eine zierliche, entzückend aussehende silberblonde Frau in trägerlosem schwarzem Kleid und auf acht Zentimeter hohen Absätzen hing an seinem Arm. Sie war Anfang dreißig, trug die Haare aber wie eine College-Ballkönigin - schnurgerade bis zur Taille hinunter, die Enden extravagant geringelt und gebauscht. Das schwarze Kleid passte perfekt. Ein enganliegendes Brillantkollier schmückte ihren Hals. Sie hielt die Augen auf Kruse geheftet, während er sich winkend und Hände schüttelnd durch sein Publikum arbeitete.
    Ich sah mir den neuen Dekan in aller Ruhe an. Inzwischen musste er ungefähr sechzig sein, einer, der Mittelmäßigkeit mit Chemie und guter Haltung bekämpfte. Sein Haar war noch immer lang, die Farbe ein dubios wirkendes Korngelb, der Schnitt im New-Wave-Surfer-Stil, mit einer Strähne über einem Auge. Früher hatte er einem männlichen Fotomodell geähnelt, mit dem leicht rustikalen Aussehen, das auf Fotos hervorragend wirkte, aber nicht wieder zu finden war, wenn man denjenigen in Wirklichkeit sah. Kruses gutes Aussehen war noch immer da. Nur seine Gesichtszüge hatten etwas gelitten; die Kinnlinie wirkte nicht mehr ganz so kräftig, die Robustheit hatte sich in etwas ziemlich Schlabbriges und Zügelloses aufgelöst. Seine Bräune war so dunkel, dass er verbrannt wirkte wie ein Brot, das zu lange im Ofen gelegen hatte. So passte er zu den Geldleuten, mit seinem Teint und auch mit seinem Maßanzug. Der Anzug war zwar federleicht, aber etwas Spießiges haftete ihm trotzdem an; denn die bekannten Lederflecken an den Ellbogen fehlten nicht - eine grobe Konzession ans Akademische. Ich sah ihn mit einem Mund voll Porzellankronen in die Menge blitzen, den Männern die Hände drücken und die Damen küssen und zur nächsten Gruppe von Bewunderern weitergehen.
    »Schick, was?«, sagte eine Stimme hinter mir.
    Ich drehte mich um und sah hinab auf ein zweihundert Pfund schweres, dickes, rundes Fleischgebilde mit Boxernase und einem buschigen Schnurrbart, das in einem braunen Schottenmusteranzug nebst rosa Hemd, schwarzer gestrickter Krawatte und abgeschabten, billigen braunen Mokassins steckte und einen Meter sechsundsechzig groß war.
    »Hallo, Larry« Ich wollte gerade die Hand ausstrecken, als ich bemerkte, dass seine beiden Hände beschäftigt waren: die linke hielt ein Bierglas und die rechte einen Teller mit Hühnerkeulen, Frühlingsrollen und teilweise abgenagten Rippchen.
    »Ich war drüben bei den Rosen«, sagte Daschoff, »und wollte rauskriegen, wie sie die so zum Blühen bringen. Wahrscheinlich düngen sie sie mit alten Dollarscheinen.« Er hob die Augenbrauen und deutete mit dem Kopf zum Herrenhaus hinüber. »Nette kleine Hütte.«
    »Gemütlich.«
    Er beäugte den Dirigenten. »Das ist Narahara, das Wunderkind. Kostet ein Vermögen.«
    Er hob den Bierkrug an den Mund und trank. Ein Schaumrand bedeckte die untere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher