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SHANNICE STARR (German Edition)

SHANNICE STARR (German Edition)

Titel: SHANNICE STARR (German Edition)
Autoren: Gordon Cane
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den borstigen Strick wieder über den Kopf zog. Er hatte an ihrem Hals deutliche Abschürfungen hinterlassen.
    Lautes Tuscheln und Murmeln lag wie eine Dunstglocke über der Vigilantenschar. Hartman war völlig aus dem Konzept gebracht. Daher stellte er auch nur eine Frage: »Was machen Sie denn hier?«
     
     
    Natürlich war die Frage überflüssig. Und so stellte er die nächste. »Cassidy, bei allen Heiligen! Was hat das zu bedeuten?«
    Douglas Cassidy reagierte vorerst nicht, sondern kümmerte sich um das verängstigte Girl. Er legte ihr die Satteldecke so um die Schultern, dass sie nicht mehr verrutschen würde und sie darunter unbeobachtet ihr Korsett zurechtrücken konnte. Dann erst drehte er sich gemächlich um.
    »Was hatten Sie denn gerade vor, Leonard?« Cassidy gab sich bewusst ironisch. »Es sah von weitem so aus, als wenn Sie dieses arme Kind hier aufhängen wollten.«
    »Seien Sie vorsichtig, Cassidy!«, begann Hartman. »Und halten Sie sich aus dieser Sache heraus. Das Flittchen hat Howlin’ Jeremiah getötet!«
    Der Angesprochene wandte sich von Hartman ab und der Menge zu. »Ein Vorwurf, ein Verdacht – und ihr nehmt das für bare Münze.« Cassidys Vorwurf war unüberhörbar. Seine graugrünen Augen wanderten die Gesichter der Anwesenden ab, die daraufhin den Kopf senkten.
    »Unrecht bleibt Unrecht!«, zerfetzte eine schrille Stimme die bedrückende Stille. »Auch wenn sie noch ein junges Ding ist, darf sie nicht im Angesicht des Herrn morden!« Es war das unangenehm hochtönende Organ des Pastors.
    Jetzt war es an Hartman, zustimmend zu nicken. Gemeinsam konnten sie die Meute wieder auf ihre Seite ziehen.
    »Pastor McIntire.« Douglas Cassidy setzte ein freundliches Lächeln auf. »Es ist gut, dass Sie diese Äußerung gerade jetzt machen. Denn Sie haben recht.«
    McIntire, schmächtig und gedrungen von Gestalt und mit dunklem, strähnigem Haar, wurde ein paar Zentimeter größer. Anerkennung heischend kreiste sein Blick umher.
    »Andererseits aber« – und Cassidys Tonfall hatte jeglichen Spott und jede Freundlichkeit verloren – »gelten diese Spielregeln doch auch für Howlin’ Jeremiah. Was wollte dieser Mann dem Mädchen antun, um eine derartige Reaktion hervorzurufen? Wir alle kennen Jeremiah! Er ist oft mit seiner Truppe hierher gekommen. Aber wer war dieser Mann …?« Douglas Cassidy trat einen Schritt vor. »Ich will es euch sagen, Leute. Er war arrogant, selbstherrlich, ein Rauf- und Trunkenbold, der sich jede Menge auf die Dollars einbildete, die er im Borderline gelassen hat.«
    Die Menge war verstummt, lauschte der flammenden Rede des Mannes, der ein angesehenes Mitglied ihrer Gemeinschaft war. Nicht zuletzt allerdings, weil er wohlhabend war und daher großen Einfluss ausübte. Cassidy war sich dieses Umstands absolut bewusst. Heute allerdings wollte er ihn zum ersten Mal vorsätzlich ausnutzen.
    »Wie viele Frauen muss ich euch bringen, die von ihm misshandelt wurden, aber nie einen Ton gesagt haben? Aus Angst. Weil niemand von euch ihnen geglaubt hätte. So wie dem Kind, das nun vor euch steht. Wahrscheinlich hätte es auch geschwiegen. Doch das Schicksal wollte es anders.« Cassidys Stimme wurde leiser, aber nicht weniger ungehalten. »Seht euch nur an! Gott hat wirklich treue Diener …«
    Voller Genugtuung sah er, dass die ersten ihre Fackeln zu Boden warfen. Ihr Mütchen war gekühlt, die Bereitschaft zur Gewalt verflogen.
    »Geht nach Hause, Leute. Hier gibt es nichts mehr zu sehen. Und morgen wartet wieder ein arbeitsreicher Tag auf euch.« Cassidy wandte sich an Leonard T. Hartman. »Sie gehen jetzt besser auch. Bevor ich meine gute Erziehung vergesse.«
    »Was soll denn das –!?«
    »Gehen Sie!«, forderte Cassidy energisch, und es war mehr als eindeutig, dass er keinen Widerspruch duldete. »Sie haben für heute genug Unheil angerichtet.«
    Die Menge löste sich rasch auf. Cassidy gab sich allerdings keinen Illusionen darüber hin, dass die Lektion, die diese Menschen heute Abend gelernt hatten, schon bald wieder vergessen sein und ihre Vorurteile sehr schnell erneut die Oberhand gewinnen würden. Vielleicht hatte er dann nicht mehr die Möglichkeit, sie aufzuhalten.
    Er sah den Leuten nach, wie sie in ihren Häusern verschwanden. Die Nacht kam nun unaufhaltsam näher. Nur vereinzelt fiel der vom Abendwind leicht bewegte Schein von Petroleumleuchten auf die Straße. Alles war wieder ruhig.
    »Fahren wir los«, sagte Cassidy an das blonde Mädchen gewandt. »In
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