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Shannara VIII

Titel: Shannara VIII
Autoren: Terry Brooks
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plötzlich und unerwartet zu einem Aufruhr, lautem Kampflärm und wütenden Schreien. Es schien von überall her zu kommen. Dann wurde sie vom Boden gehoben, fortgetragen, und die Geräusche blieben hinter ihr zurück. Ihr jetziger Träger wiegte sie im Arm, während er lief, drückte sie fest an sich, als wolle er sie in ihrer Angst und Verzweiflung trösten. Sie schmiegte sich in die Arme ihres Retters, denn tatsächlich suchte sie Trost.
    An einem stillen Ort nahm man ihr Fesseln, Knebel und Augenbinde ab. Sie setzte sich auf und sah sich einem großen Mann gegenüber, der eine schwarze Robe trug, einem Mann, der nicht vollständig menschlich war. Sein Gesicht wies Schuppen und eine Zeichnung wie bei einer Schlange auf. Seine Finger endeten in Krallen, und seine Augen stellten lidlose Schlitze dar. Ihr stockte der Atem, und sie wich vor ihm zurück, doch er rührte sich nicht.
    »Jetzt bist du in Sicherheit, Kleine«, flüsterte er. »Sicher vor denen, die dir etwas antun wollen, vor dem Dunklen Onkel und seinesgleichen.«
    Sie wusste nicht, von wem er sprach. Vorsichtig schaute sie sich um. Ein Wald umgab sie, die Bäume hielten auf allen Seiten Wache, und ihre Äste begrenzten ein Meer aus Sonnenlicht, das die Walderde wie Goldstaub sprenkelte. Niemand war in der Nähe, und nichts, was sie sah, erschien ihr bekannt.
    »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte ihr Gegenüber. »Fürchtest du dich vor meinem Aussehen?«
    Misstrauisch nickte sie und schluckte, weil ihre Kehle ausgedörrt war.
    Er reichte ihr einen Wasserschlauch, und dankbar trank sie. »Hab keine Angst. Ich bin von gemischter Herkunft, sowohl Mensch als auch Mwellret, Kleine. Vielleicht sehe ich fürchterlich aus, aber trotzdem bin ich dein Freund. Schließlich habe ich dich vor den anderen gerettet. Vor dem Dunklen Onkel und seinen Gestaltwandlern.«
    Nun erwähnte er schon zum zweiten Mal den Dunklen Onkel. »Wer ist das?«, fragte sie. »Hat er uns all das angetan?«
    »Er ist ein Druide. Walker lautet sein Name. Er ist es, der euer Haus angegriffen und deine Eltern und deinen Bruder getötet hat.« Mit seinen Reptilienaugen starrte er sie an. »Denk zurück. Dann wirst du dich erinnern, sein Gesicht gesehen zu haben.«
    Zu ihrer Überraschung stimmte das. Sie sah es deutlich vor sich, wie es im Morgengrauen vor dem Fenster vorbeihuschte, dunkle Haut und schwarzer Bart, Augen, die sie mit ihren Blicken bis auf die nackte Haut auszogen, eine dunkle Stirn, die tief gerunzelt war. Sie sah ihn, erkannte ihren Feind in ihm und verspürte eine Wut von solcher Heftigkeit, dass sie glaubte, tief im Innersten zu brennen.
    Dann weinte sie, dachte an ihre Eltern und ihren Bruder, an ihr Zuhause und ihre verlorene Welt. Der Mann, der ihr gegenübersaß, zog sie sanft in seine Arme und drückte sie fest.
    »Du kannst nicht zurück«, erklärte er ihr. »Sie werden nach dir suchen. Solange sie dich für lebendig halten, werden sie nicht aufgeben.«
    Sie nickte an seiner Schulter. »Ich hasse sie«, zischte sie klagend.
    »Ja, ich weiß«, flüsterte er. »Und damit hast du vollkommen Recht.« Seine kehlige Stimme wurde fester. »Aber hör mich an, Kleine. Ich bin der Morgawr. Von nun an will ich Vater und Mutter für dich sein. Ich bin deine Familie. Natürlich werde ich dir helfen, Rache zu nehmen für das, was man dir geraubt hat. Ich lehre dich, wie du dich gegen alles wappnen kannst, was dir wehtun könnte. Ich lehre dich, stark zu sein.«
    Er brachte sie fort, hob sie auf, als wäre sie federleicht, und trug sie tiefer in die Wälder zu einer Stelle, an der ein riesiger Vogel wartete. Den Vogel nannte er einen Würger, und auf seinem Rücken flogen sie in einen anderen Teil der Vier Länder, einen dunklen, einsamen Ort, an dem es weder Geräusche noch Leben gab. Genau wie er versprochen hatte, sorgte er für sie, bildete sie an Geist und Körper aus und beschützte sie. Auch über den Druiden erzählte er ihr mehr, berichtete ihr von seinen Ränken und seinem Machthunger und seinem lange schon verfolgten Ziel, alle Rassen in allen Ländern zu beherrschen. Er zeigte ihr Bilder des Druiden und seiner schwarz gekleideten Diener und ließ das Feuer des Zorns, das in ihrer kindlichen Brust loderte, niemals erlöschen.
    »Vergiss niemals, was er dir geraubt hat«, schärfte er ihr wieder und wieder ein. »Und auch nicht, was er dir für seinen Verrat schuldet.«
    Nach einer Weile unterrichtete er sie darin, wie sie das Wunschlied als Waffe einsetzen
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