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Shanghai Love Story

Shanghai Love Story

Titel: Shanghai Love Story
Autoren: Sally Rippin
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Strom aus Menschen. Es war Ende April, mitten im Frühling in China, aber die Hitze hier war so ganz anders als die trockenen, sonnigen Frühlingstage, die sie von zu Hause her kannte. Außerdem hatte sich das Wetter in Melbourne bei ihrer Abreise bereits herbstlich abgekühlt, und der Unterschied machte es Anna schwer, sich zu akklimatisieren. Sie hoffte, dass sie sich bald an die Hitze gewöhnen würde. Schließlich blieben ihr nur vier Wochen, um einen Kurs an der Kunstakademie zu besuchen, und jetzt, da sie Chenxi kennengelernt hatte, wusste Anna, dass die Zeit viel zu schnell vorübergehen würde.
    Chenxi winkte ein Taxi herbei. Als sie in den klimatisierten Innenraum einstiegen, fühlte Anna ein leichtes Schwindelgefühl. Lag es an der Hitze draußen oder daran, dass Chenxis glatter Arm nur Millimeter von ihrem eigenen – rosig und mit Sommersprossen gesprenkelt – entfernt lag?
    Vom Rücksitz aus war es unmöglich, irgendetwas durch die dichte Wand aus Fahrrädern zu sehen. Der Taxifahrer hatte eine Hand auf dem Lenkrad und die andere auf der Hupe. Zentimeterweise bewegten sie sich vorwärts. Das Meer aus Radfahrern teilte sich vor ihnen und schloss sich wieder, nachdem sie vorbeigefahren waren. Gelegentlich spürte Anna, wie ein Fahrrad gegen die Karosserie stieß. Am Rückspiegel hing in einem roten, mit Quasten besetzten Rahmen das Bild eines lächelnden Mao. »Warum um alles in der Welt hat der Fahrer das Foto eines toten Staatsoberhaupts in seinem Wagen?« Anna lachte.
    Â»Um zu beschützen«, lächelte Chenxi. »Vor ein paar Jahren, zwei Taxifahrer haben schlimmen Unfall, und nur ein Fahrer nicht sterben. Er haben Porträt von Mao in sein Wagen, und er sagen allen, er deshalb nicht sterben in schlimme Unfall. Jetzt viele Fahrer haben Mao in Taxi. Um zu beschützen. Altes China ist sehr abergläubisch.«
    Er zwinkerte Anna zu, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie spürte, wie ihre Wangen sich unter Chenxis Blick röteten, und wandte sich dem Fenster auf ihrer Seite zu. Aus dem Radio drangen der Singsang und das klirrende Scheppern von Beckentellern, die zu der Pekingoper gehörten. Eine große Nescafé-Dose, deren Inhalt aussah wie warme Teichalgen, klemmte zwischen den Oberschenkeln des Fahrers. Hin und wieder hob er sie hoch, löste den Deckel geschickt mit einer Hand und schlürfte daran.
    Chenxi unterhielt sich mit dem Fahrer, der immer wieder in den Rückspiegel schaute, um Anna zu betrachten. Er schien gefangen von ihrem blonden, ungebändigten Haar, das sich in der feuchten Hitze störrisch der Zähmung widersetzte. Sie saß da mit ihren Päckchen auf dem Schoß und starrte aus dem Fenster. Der abkühlende Schweiß auf ihrer Haut und der feine Flaum auf Chenxis Arm verursachten ihr eine Gänsehaut. Sie wünschte, sie wüsste etwas zu sagen, aber sie fühlte sich kindisch und schüchtern. Jetzt war die Gelegenheit, tadelte sie sich selbst und ging im Geiste ihr Repertoire an Konversationsmöglichkeiten durch.
    An einer roten Ampel, gerade als Anna den Einstieg in ein Gespräch gefunden hatte, richtete sich Chenxi auf. Er kurbelte sein Fenster herunter und rief jemandem etwas zu. Anna versuchte zu erkennen, mit wem er sprach, aber etwa hundert gleich aussehende Gesichter starrten zu ihr herein.
    Chenxi wandte sich lächelnd zu ihr um. »Er Schulfreund von mir. Du allein nach Hause fahren, okay? Fahrer wissen wo. Ich gehen mit Freund?«
    Er berührte Anna leicht am Knie.
    Â»Natürlich …« Und schon war er weg, bahnte sich pfeifend und lachend seinen Weg durch die Menge. Der leichte Druck seines Fingers kitzelte auf der Haut ihres Knies. Sie schaute auf und sah den Fahrer, der sie mit schmalen Augen anstarrte. Anna wandte sich wieder dem Fenster zu.
    Die belebte Straße ging in eine Gasse über, in der Kinder herumliefen und die Wäsche über den Köpfen an Bambusstäben hing. In dunklen Hauseingängen saßen alte Frauen mit walnussfarbenen Gesichtern über gerupften Federn und Gemüseresten. Anna wusste sofort, dass dies nicht der Weg war, den sie mit Chenxi gekommen war. Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange.
    Das Taxi hielt an.
    Erschrocken beugte sich Anna nach vorn. »Yangdang Apartments!«, rief sie und wedelte mit dem Zettel, den ihr Vater ihr gegeben hatte. »Yangdang Lu!«
    Â»Okay, okay, okay!« Der Fahrer
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