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Shanghai Love Story

Shanghai Love Story

Titel: Shanghai Love Story
Autoren: Sally Rippin
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Papier«, sagte Chenxi.
    Der Verkäufer rutschte von seinem Hocker und schlurfte zu einer Reihe von breiten Schubladen voller gefalteter Reispapierbögen. Er schob sich die Brille auf die Stirn und massierte sich den Nasenrücken, während er auf Chenxis Anordnungen wartete. Die Auswahl der zweiten Kostbarkeit schien eine leichtere Aufgabe zu sein. Chenxi gab dem Verkäufer genaue Anweisungen, der daraufhin eine Rolle aus einer Lade hievte und auf die Theke legte.
    Â»Für Anfänger Xuan Zhi ist okay«, sagte Chenxi.
    Er drückte seine Zunge gegen eine Ecke des Papiers. Als er sie wegzog, war das feuchte Papier durchscheinend. Chenxi nickte und half dem Verkäufer, lange Bögen von der Rolle abzuschälen.
    Â»Dritter und vierter Schatz … Reibstein und Stangentusche.«
    Anna hob die Augenbrauen. Chenxi kramte in einem zerschlissenen Pappkarton herum, der auf der Theke stand. Er wählte eine in Zellophan eingewickelte Stangentusche aus und reichte sie Anna. Sie betrachtete den langen schwarzen Stab in ihrer Hand. Er war nicht so reich verziert wie einige andere, die sie in der Auslage gesehen hatte – Chenxi war sparsam –, aber mit seinen verschlungenen goldenen und roten Drachen, den silbergeränderten Wolken und der eingeritzten Kalligrafie immer noch viel zu hübsch, um ihn zu benutzen. Während Anna sich fragte, wie man aus diesem festen Klumpen flüssige Tusche gewann, durchquerte Chenxi den Raum.
    An einer anderen Theke hatte eine säuerlich wirkende Frau vier identische Reibsteine ausgelegt, alle glatt und so dunkel wie Kohlenstaub. Auf jedem lag ein flacher, runder Deckel aus Stein, den Chenxi jeweils auf seine Passgenauigkeit untersuchte. Er hielt die Reibsteine dicht an sein Ohr und lauschte dem hohlen Schaben, mit dem sich der Deckel drehte. Dann lehnte er alle vier ab. Die Frau stieß ein genervtes Grunzen aus und bückte sich hinter der Theke.
    Â»Oh, der da sieht doch gut aus!«, widersprach Anna, die freundlich sein wollte, aber Chenxi funkelte sie an.
    Als ob er Annas Unwissenheit unter Beweis stellen wollte, verwarf er auch die nächsten drei Reibsteine, und wieder machte sich die Verkäuferin unter der Theke auf die Suche. Stöhnend legte sie nacheinander die letzten fünf Steine auf die Theke, die sie auf Lager hatte, und trat dann mit vor der Brust verschränkten Armen und zusammengepressten Lippen zurück. Anna versuchte es mit einem mitfühlenden Lächeln, aber die Frau wandte den Blick ab.
    Der letzte Reibstein bestand den Test, und Chenxi trug den vierten Schatz wieder zu einer anderen Theke, wo bereits die ersten drei lagen, eingepackt in braunes Papier und Schnur. Chenxi zog ein Bündel zerknitterter Geldscheine aus der Tasche und zählte sie für eine Verkäuferin ab, die in einer Kabine saß. Das ist komisch , dachte Anna. Mein Vater hat ihm doch neue Geldscheine gegeben .
    Die Frau zählte das Geld nach. Nachdem sie etwas in ein großes Quittungsbuch geschrieben hatte, riss sie gelbe, weiße und rosafarbene Seiten heraus und heftete sie mit einer großen Flügelklammer zusammen. Diese befestigte sie an einer Schnur, die in der Kabine auf Höhe des Schreibtischs begann und schräg durch den Laden nach oben verlief.
    Anna schaute zu, wie das Geld und die Quittungen die Schnur entlangwanderten, über ihren Kopf hinweg und schließlich in einem kleinen Loch kurz unterhalb der Decke auf der anderen Seite des Raums verschwanden. Ein paar Minuten später kam das Bündel wieder, diesmal ohne die Geldscheine und das rosafarbene Blatt, dafür aber mit einem kleinen Beutel voller Plastikmünzen.
    Die Verkäuferin löste die beiden verbliebenen Blätter Papier, auf denen jetzt ein klebriger roter Stempel prangte, und reichte Chenxi das weiße Exemplar. Das gelbe Blatt legte sie in die Schublade und warf Chenxi ein paar Plastikmünzen aus dem Beutel auf die Theke. Er steckte sie ein und gab die Quittung an Anna weiter, die mit all den braunen Päckchen ihre liebe Mühe hatte. Und dann schlenderte er aus dem Geschäft.
    Auf der Straße, das kühle Dämmerlicht des Geschäfts hinter sich lassend, fragte sich Anna, wie viel Zeit wohl vergangen war. Sie war erst einen Tag in Shanghai, und es war nicht schwer, sich in der dampfenden grauen Hitze zu verlieren, in den fremdartigen Gerüchen nach Fisch und ranzigem Sojaquark und in dem beständig fließenden
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