Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
hinter geschlossenen Türen, offensichtlich davon überzeugt, sie sei verdammt - und hat nur ganz geringfügigen Abweichungen von ihrem Tagesablauf stattgegeben: dem Kauf einer Sonnenbrille und dem Besuch in der Abteilung Gesundheit und Erholung im Sun-&-Air-New-Age-Buchladen. Der heutige Exkurs ins Unbekannte, in eine Fotosession, bezeugt gute Fortschritte der Genesung und gibt mir gleichzeitig Gelegenheit, meinem Hobby als Photograph, meiner »kreativen Seite« nachzugehen.
    Jasmine hält auf dem Schoß eine Kürbis-Laterne mit einem grimmigen und zugleich lächelnden Gesicht, das sie selbst ausgeschnitten hat und das von innen durch eine kleine gelbe Kerze erhellt wird, die wie ein kritisch flackernder Urartiumbarren wirkt. Jasmines langes graues Haar hat sich in ihrem flauschigen Schal verheddert, und ein paar Strähnen wehen ihr über das sommersprossige, ungeschminkte Gesicht. Jasmine schminkt sich nie. Daisy kann gar nicht genug auflegen.
    »Beeil dich, mein süßes kleines Jo-Jo«, sagt sie zu mir, »mir ist langsam kühl.«
    »Sei mir nicht böse, Jasmine, aber könntest du vielleicht für die Kamera ein bißchen mehr Gefühl zeigen?«
    »Mein Schatz, Gefühle wachsen normalerweise aus mir heraus wie Haare, aber so, wie ich mich zur Zeit fühle, mußt du schon mit dem Bißchen vorlieb nehmen, was übrig ist. Hier, ich halte den Kürbis mal höher...« Sie hievt ihn auf ihre Schulter.
    »Das gefällt mir. Laß ihn dort oben.«
    Jasmine verzerrt ihr Gesicht. »Tyler, ich sollte wahrscheinlich besser in solchen Dingen sein - ich meine dein Leben. Die letzten Wochen haben ganz schön an mir gezehrt, aber ich denke trotzdem an das Leben meiner Kinder. Was hast du für Pläne, wenn du in diesem Jahr die Schule abschließt? Im April, meine ich?«
    »Dieselben wie immer. Ich will für Bechtol in Seattle arbeiten.«
    »Bechtol? Tyler, ich kann es einfach nicht fassen. Wir haben damals Brandanschläge auf Bechtol verübt.«
    »Geh mit der Zeit, Jasmine. Bechtol ist eine gute Firma mit ständigen Zuwachsraten, und sie bieten einem schnelles Vorankommen und eine wahnsinnig gute Rente.«
    »Tyler, du bist zwanzig.«
    »Man muß an die Zukunft denken, Jasmine. Die Welt ist härter geworden seit deiner Jugendzeit.«
    »Ich nehme an, du hast recht.« Nach Hippie-Manier blendet sich Jasmine aus und zieht sich wieder auf ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme zurück.
    Damals in den 60ern war Jasmine ein richtiges Muttertier. Manchmal nennen wir sie noch so... oh, liebes Muttertier! Aber häufiger sagen wir zu ihr Erdenmutter...
    »Erdenmutter...«
    »Ja, mein kleiner Butterkeks?«
    »Bitte flirte ein bißchen mit der Kamera.«
    »Oh, tut mir leid.« Sie versucht ein mattes Lächeln. »Findest du das Kürbisgesicht furchterregend genug?« fragt sie. »Ich habe mich bemüht, es teuflisch zu gestalten.«
    »Buuh«, erwidere ich.
    »Ich denke mir, Kürbisse sind von Natur aus gottähnlich« (oh, oh, da spricht der Hippie), »wie orangefarbene Zwiebeln der Glückseligkeit. Man kann sich nur schwer einen wahrhaft furchteinflößenden Kürbis vorstellen. Wird dies hier ein künstlerisches Foto, Tyler? Ich möchte, daß meine Enkel denken, ich sei kultiviert gewesen. Ich sei anders gewesen.«
    »Es wird nur so nach Kunst stinken. Bitte, zeig etwas Gefühl, Jasmine.«
    Ein schnatternder, kohlrabenschwarzer Fleck Krähen über uns verschmiert den Himmel, dem Fluß für den Winter nach Süden folgend. Jasmine kommt einfach nicht über ihre Niedergeschlagenheit hinweg. Ich frage sie, ob sie ihr Porträt lieber ein andermal aufgenommen haben möchte.
    »Nein, nein. Es ist jetzt schon wunderbar. Die Krähen haben mich nur einfach deprimiert. Ein Erlebnis aus meiner Kindheit in Mount Shasta.«
    »Bitte erzähl es unseren Zuschauern im Studio.«
    »Es passierte eines Nachmittags. Paps - dein Großvater -war dabei, die Pinie neben dem Haus zu stutzen und sich mit Mama zu zanken, die ihm dauernd Anweisungen gab. Ein ganzer Haufen Äste war bereits auf den Boden gefallen, als wir plötzlich bemerkten, wie ein Trauertaubenpärchen aufgeregt darum herumflatterte. Mama rief Halt, und sie schauten genauer hin und stellten zu spät fest, daß sie einen Ast mit einem Trauertaubennest darauf abgehackt hatten.«
    »Gott, was für 'ne traurige Geschichte, Jasmine.«
    »Mama lief weinend ins Haus. Paps versuchte ihr klarzumachen, daß Trauertauben doof wie ein Sack voll Hämmer sind und daß sie bereits nach einer Woche wieder Eier legen würden,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher