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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet
Autoren: Douglas Coupland
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hält die Schere hoch erhoben und haut sie mir einmal, zweimal in die Seite, unterhalb meiner Brust.
    »Dan, was tust du - hör auf«, schreit Jasmine und beugt sich in ihrem Nachthemd vor, das Gesicht feuerrot und faltig, glänzend und feucht wie bei einem Neugeborenen. Sie ergreift den Hocker vor ihrem Frisiertisch und versucht Dan damit eins überzuziehen, doch der schlägt den Stuhl zur Seite und verliert dabei das Gleichgewicht. Ich schleudere ihn zu Boden, und die Schere fällt ihm aus der Hand und rattert weit geöffnet quer durch das Zimmer, wie die Schere, die Anna-Louise und ich in dem lungenamputierten Tal von British Columbia vergaßen.
    »Für wen hältst du dich?« schluchze ich, Dan fest unter mir eingeklemmt, während meine Fäuste rhythmisch wie ein Böttcherhammer auf sein sich rasch in Brei verwandelndes Gesicht eindreschen, während sein Körper zuckt, seine Zähne knirschen und in einem roten Schaum untergehen. »Was gibt dir das Recht, zu tun ... was... du... getan. .. hast?«
    Von einem gewissen Punkt an wehrt sich Dan nicht mehr, aber ich kann nicht mehr aufhören und schlage weiter auf ihn ein, mit dem einzigen Wunsch, ihn zu zerstören.
    »Tyler«, sagt meine Mutter. »Hör auf.« Aber ich kann nicht aufhören. Ich bin völlig darin befangen, Dans Körper zu zerstören. Ich werde nicht mehr von Klarheit angetrieben, sondern von Eruptionen meiner Erinnerung. Erinnerungen an die toxische Lokomotive, die sie bei den Anlagen ausbuddeln mußten, weil man sie nicht einfach verscharrt lassen konnte, die sie in winzige Teile zerlegen mußten, um sie dann ins Zentrum der Erde zu versenken. Und ich werde angetrieben von dem Bewußtsein aller Schlechtigkeit dieser Welt -eine Schlechtigkeit, die ich geduldet habe, weil ich es vorzog, sie niemals als das zu sehen, was sie ist. Und ich werde angetrieben von der Beschämung über meinen äußerst törichten Glauben, daß einfach die Tatsache, in Freiheit zu leben, eine Garantie für das Weiterbestehen dieser Freiheit darstellt.
    Dans Körper stößt so 'ne Art Seufzer aus. Meine Schläge werden langsamer.
    »Tyler, Liebling - hör jetzt lieber auf«, sagt Jasmine vorsichtig.
    »Mama«, heule ich, »ich war zu ihm so lange so nett, und das war alles umsonst.«
    »Ich weiß, mein Schatz, ich weiß.«
    Meine Arme sinken herunter. Mir ist, als hätte ich Fieber-Halluzinationen. »Mama, es gibt Blumen in der Wüste ...«, aber weiter komme ich nicht. Morgen, in einer anderen Welt, werde ich meiner Mutter von diesen Blumen erzählen, die in der Wüste von Nevada wachsen und die durch die trügerische, falsche Sonne nächtlicher atomarer Explosionen zum Blühen gebracht werden, in dem gutem Glauben, sie reckten sich dem Licht entgegen, dabei jedoch nur den sterilen Sand bestäuben und die Zukunft für alle nachkommenden Blumen verwirken.
    »Ich weiß, mein Schatz, ich weiß.« Jasmine umschlingt mich von hinten und hält mich in den Armen, während ich noch rittlings auf dem jetzt stillen Dan sitze. Ihr Kopf ruht auf meiner Schulter.
    »Du hast gesagt, du brauchst meine Hilfe, Mama. Ich sollte deine Arme und deine Augen und deine Beine sein.«
    »Ich weiß, ich habe das gesagt, Schatz, ich weiß.«
    »Ich bin dein Immunsystem, Mama.«
    »Ich weiß, Schatz, ich weiß.«
     

66
     
    Es haben in letzter Zeit eine Menge Veränderungen stattgefunden. Zunächst einmal haben Daisy und Murray heute morgen geheiratet, in einer kleinen Stadt am Pazifischen Ozean. Was für eine Überraschung! Zur Hochzeit schenkten sie sich Tätowierungen, Blumen fürs Haar und »cooles, wertloses Zeug«. Für die Hochzeitsreise planen sie, sich mit einer Gruppe gegen Kahlschlag demonstrierender Jugendlicher an Bäumen auf der Olympischen Halbinsel festzuketten.
    »O Tyler«, flötete Daisy mir heute nachmittag durchs Telefon zu, »klingt es nicht wie ein Traum? Ich bin wirklich das glücklichste Huhn auf Erden.«
    Muß ich noch erwähnen, daß wir alle dem Paar viel Glück wünschten und Liebe und Küsse zusandten. Wäre ich ein König, würde ich sie mit Immobilien überhäufen.
    Wenn die Jungverheirateten wiederkommen, werden sie beide für YEAR-3000 arbeiten, eine Reinigungsfirma für Giftmüll, die von der Regierung damit beauftragt wurde, den Erdboden um die Anlagen herum zu entgiften.
    »Es würde dir gut gefallen, Tyler«, sagt Murray, »wir erhalten medizinische/zahnmedizinische Betreuung, müssen unsere Dreadlocks nicht abschneiden und bekommen außerdem gratis weiße
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