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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
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der Zunge. »Ich bin ein klein wenig eifersüchtig.«
    »Sie gehören ihr doch schon.«
    »Aber nein. Ich bin eifersüchtig, weil Sie zu ihm gehören und umgekehrt. Diesmal hat sie Mr. Loginov nicht gefangen, um ihn in Besitz zu nehmen, Elena. Sondern um Sie zu bekommen. Sie weiß, was er Ihnen bedeutet.«
    Elena hätte am liebsten die Augen geschlossen und wäre auf der Stelle gestorben. »Werden Sie dessen denn niemals überdrüssig? Von ihr beherrscht zu werden, meine ich?«
    »Es gibt auch positive Seiten.« Er streckte die Hand aus. »Kommen Sie mit, Elena. Sie wissen, dass ich Sie nicht töten werde. Noch nicht.«
    »Erst wenn Sie die Chance dazu bekommen?«
    Er seufzte. »Was für ein entzückender Traum.«
    Elena nahm seine Hand. Noch nie war ihr etwas schwerer gefallen. Seine Haut fühlte sich kalt an, so eisig wie der Tod. Charles Darling blickte auf ihre verschränkten Hände hinunter.
    »Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die mich töten kann«, flüsterte er. »Das gefällt mir an Ihnen, Elena. Es macht mich richtig heiß.«
    Sie hätte fast sein Herz zum Stillstand gebracht, doch er sah sie an, starrte sie an, und sie merkte, dass er es ernst meinte. Er hatte es nicht gesagt, um sie einzuschüchtern. Er meinte es vollkommen ernst.
    Was bedeutete, dass sie fast genauso durchgeknallt war wie er.
    »Bringen Sie mich zu Artur«, antwortete sie. »Sofort.«
    Er gehorchte.
    Sie nahmen ein Taxi und fuhren an all den Schönheiten der Stadt vorbei: an der Kathedrale von St. Basil, einem Chaos aus Farben und Formen; an erhabenen Denkmälern toter Männer, trotzig und unsterblich in der Erinnerung; an hohen Spiraltürmen, hölzernen Nadeln, die den Himmel durchbohrten; selbst die breiten Boulevards waren Klassiker von Linienführung und Design. Elena jedoch hatte keinen Blick dafür. Sie dachte nur an Artur, und an die merkwürdigen Umstände, die zu ihrer Entführung geführt und sie dann psychisch an einen Mann gefesselt hatten, selbst jetzt, während sie mit einem Serienmörder Händchen hielt. Sie dachte, selbst Schneebälle würden in dieser Hölle frieren. Was vielleicht die Kälte von Charles Darlings Haut erklärte.
    »Ich habe gelesen, schwere Traumata in der Kindheit sollen solche Kreaturen wie mich erschaffen.« Er sah sie mit milder Belustigung an. »Allerdings ziehe ich vor zu glauben, dass ich doch schon so geboren wurde, fix und fertig sozusagen.«
    »Das wäre nur logisch«, erwiderte Elena. »Wenn ich mit der Macht geboren wurde, zu heilen, dann ist die Natur gewiss auch in der Lage, das Gegenteil hervorzubringen.«
    »Und solche Gegenstücke ziehen sich naturgemäß immer an«, gab er zurück. »Ich glaube, genau das hat Rictor so gestört. Er konnte in meinen Kopf blicken und die Wahrheit erkennen. Er wusste, dass wir beide die vollkommenen Gegenstücke des Puzzles sind. Symmetrie. Poesie.«
    »Sie und Rictor hatten eine interessante Beziehung«, bemerkte sie behutsam.
    »Er hasste mich. Er hasste, was ich tat und dass ich mich vor ihm damit brüsten konnte. Er konnte mich nicht daran hindern.«
    »Ganz so machtlos war er nicht.«
    »Er konnte mich nicht töten. Tod, Elena, ist das Einzige, was ich respektiere. Wenn Sie mir den Tod nicht geben können, dann gibt es gar nichts. Dann sind Sie nicht mal lebenswert.«
    »Sie meinen, nur die Besten überleben?«
    »Sie werden die Welt erben.«
    »Was macht das aus Ihnen, da man Ihnen nicht erlaubt hat, Rictor zu töten?«
    Er kniff die Augen zusammen. Elena sprach schnell weiter. »Ich meine ja nur«, erläuterte sie. »Hat es wirklich so viele Vorzüge?«
    Er antwortete ihr nicht. Das Taxi hielt an, und sie stiegen aus.
    Das Gebäude war alt, es wies Reste desselben Charmes auf, der auch die anderen Bauwerke an dem langen Boulevard durchdrang. Nichts wich davon ab oder stach hervor. Einfache Linien und eine scharfe Silhouette vor dem trüben Himmel.
    Das Innere war mit geschmacklosen Dekorationen überladen. Durch die Haustür kamen sie in einen dunklen, schmalen Flur, der offenbar der Farbe Rot zum Opfer gefallen war, Rot und Gold, und zwar in einer Art Blumenmuster, das keine Ähnlichkeit mit irgendeiner Pflanze aufwies, die sich in der Natur gefunden hätte. Überall gab es Gold, Spiegel hingen an den Wänden, und Kerzen brannten in ihren Haltern, deren Licht auf der glänzenden Walnusstür reflektierte.
    Charles führte Elena durch den Flur. Sie kamen an zwei großen Männern vorbei, die auf ihren Stühlen saßen und aussahen, als warteten
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