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Settlers Creek

Settlers Creek

Titel: Settlers Creek
Autoren: Carl Nixon
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Rücken, so gut es eben ging, und bewegte die Zehen in seinen Stiefeln, um wieder Gefühl in den Füßen zu bekommen.
    Ganz in seiner Nähe klingelte ein Telefon. Dem Mann entfuhr ein kurzer Schrei. Er schaute sich nach allen Seiten um, dann wandelte sich sein Schrecken in Wut. Es war kein normaler Klingelton, sondern eine Melodie, blechern, schmissig. Dieser verdammte Lärm kam von den Baumwurzeln her. Das beschissene Handy mußte in den Kleidern stecken. Gott, was war er erschrocken! Als der Adrenalinstoß vorbei war, wurde ihm klar, daß er die Melodie kannte. Aus einer alten Fernsehserie. Nicht M*A*S*H oder Mini-Max, aber etwas Ähnliches, auf jeden Fall eine Comedy-Serie. Die Musik war geradezu lächerlich vergnügt, und er wünschte sie zum Teufel.
    Er blieb stehen und wartete ab.
    Später, beim Polizeiverhör in seiner Küche, fragte ihn der junge Beamte, warum er nicht drangegangen war. Er antwortete völlig wahrheitsgemäß, daß er nicht einmal auf die Idee gekommen war. Die Polizisten waren nicht gut auf ihn zu sprechen, weil er den Jungen abgeschnitten hatte. Offenbar hatte er sich da an Beweismitteln zu schaffen gemacht. Das war dem alten Mann egal. Er war überzeugt, das Richtige getan zu haben.
    Endlich riß die Musik ab.
    Er stampfte ein paarmal mit dem Fuß auf und tastete sich dann vorsichtig über die glatten Kiefernnadeln hinweg zu der Stelle, wo der nackte Leichnam des Jungen zum Halten gekommen war. Er lag auf dem Rücken, von dem Fall klebte Matsch auf seiner Seite und seinem linken Bein. Als der alte Mann ganz nahe war und nicht mehr so erschrocken, erkannte er, daß der Junge eine dunkle Hautfarbe hatte. Also das, was die Mutter des Mannes »eine Abreibung mit der Teerbürste« genannt hatte. Um den Hals herum war die Haut blutunterlaufen, ebenso an den Knöcheln, wo sich wohl das Blut gestaut hatte, aber das war nicht mehr als eine Vermutung, schließlich war er kein Arzt. Aber auch der konnte jetzt nicht mehr helfen.
    Der Hang lag noch immer im Schatten, und der Mann fror. Er schlang die Arme um seine Brust und schlug sich mit den Händen ein wenig warm. Er schaute sich um. Nichts hatte sich verändert. Trotz der Kälte zog er seine Jacke aus und versuchte, sie über den Leichnam zu breiten. Sie war zu klein, um den ganzen Körper zu bedecken. Er zupfte sie zurecht, schaffte es aber schließlich nur, Bauch, Brust und Geschlecht des Jungen zu bedecken. Ohne ihn zu berühren, zog er die Kapuze heraus und bedeckte damit die Blutergüsse um den Hals. Er versuchte, nicht auf die zerfaserte Nabelschnur zu schauen, die aus dem Genick wuchs.
    Nachdem er alles erledigt hatte, machte sich der Mann auf den Weg bergauf, seinen Nylonsack ließ er liegen, wo er war. Er duckte sich unter den Kiefernästen und zwängte sich durch einen schmalen Durchlaß zwischen den dicken Stämmen. Als er auf dem Wanderweg ankam, atmete er erneut heftig und spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief. Drei junge Frauen in Leggings und rotgelben Windbreakern stiegen gerade über den Tritt am Farmzaun. Sie joggten auf ihn zu. Vermutlich hielten sie ihn für einen alten Mann, der eben vom Pinkeln aus dem Wald kam. Eine von ihnen lächelte und grüßte ihn. Er erwiderte den Gruß nicht. Während sie sich entfernten, hörte er noch, wie dieselbe Joggerin eine Bemerkung über ihn machte, verstand aber nichts. Die beiden anderen lachten.
    Er ging den Weg entlang, so schnell seine entzündeten Gelenke es zuließen. Zu Hause angekommen, ignorierte er die blöden Fragen seiner Frau und rief die Polizei an.

Erster Teil
Eins
    Box Saxton kniete auf dem halbfertigen Dach des Schulgebäudes. Als sich der Wind drehte, richtete er sich auf und blickte nach Süden über das Wasser des langgezogenen Hafenbeckens. Der Himmel über ihm war noch immer wolkenlos, ein bleiches Herbstblau, aber im Süden, hinter der Hügelkette, ballten sich bereits Gewitterwolken zusammen. Als Box das letzte Mal hochgeschaut hatte, waren die noch nicht dagewesen. Die grüne Wand aus Büschen hinter der Schule hatte angefangen zu rascheln. Die Zweige des Ginseng bogen sich aus der Hecke und schnappten nach jeder Bö zurück. Die hohen Buchen und Rimu-Harzeiben schwankten leise. Box beobachtete, wie die etwa sechs Yachten, die in der engen Bucht ankerten, unter dem unerwarteten Anstoß des Südwinds erzitterten und den Bug wegdrehten. Schaumkronen tauchten im Hafenbecken auf. Die Wellen wuchsen höher, bis sie schäumend brachen, um im nächsten
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