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Septimus Heap 04 - Queste

Titel: Septimus Heap 04 - Queste
Autoren: Angie Sage
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zu stürzen. Er kam sicher oben an und glitt vorsichtig auf der anderen Seite hinunter. Doch auf halber Höhe rutschten seine Füße weg, und etliche kleine Steine fielen prasselnd in die Schlucht. Merrin erstarrte und hielt den Atem an. Jede Sekunde konnte sich eine Steinlawine in Bewegung setzen und ihn mit in die Tiefe reißen. Doch das Glück blieb ihm treu, und er setzte, noch vorsichtiger jetzt, seinen Weg fort. Ein paar Minuten später hatte er wieder den festen Boden des Felspfades unter den Füßen. Er stieß einen triumphierenden Schrei aus und reckte die Faust in den Himmel. Er war frei!
    Begleitet vom Tosen des Flusses tief unten auf dem Grund der Schlucht, marschierte Merrin zügig den Pfad entlang. Er sah sich kein einziges Mal um. Und hätte er es getan, so hätte er das Gespenst wahrscheinlich gar nicht bemerkt, denn es verschmolz mit den Schatten und nahm die Gestalt der Felsen an, an denen es vorüberkam, wie Gespenster es immer tun, wenn sie unbemerkt bleiben möchten.
    Bald blieben die düsteren Schieferfelsen der Ödlande hinter Merrin zurück, und er näherte sich den Oberen Ackerlanden mit ihren verstreut liegenden Berghöfen. Diese Gegend war ihm nicht vertraut, doch er folgte einem breiten ausgetretenen Feldweg. Als er an eine Weggabelung gelangte, wurde er mit einem Wegweiser aus Stein belohnt. In den hohen Pfahl aus Granit waren ein Pfeil, der nach rechts zeigte, und ein Wort gemeißelt: BURG. Merrin lächelte. Mit selbstsicherem Schritt nahm er die rechte Abzweigung.
    Es war ein kühler Frühlingstag, und die Sonne, die langsam hinter den tief hängenden, dichten Wolken heraufstieg, spendete nur wenig Wärme. Doch Merrin schritt so tüchtig aus, dass ihm nicht kalt wurde. Bald machte sich ein vertrautes Gefühl der Leere in seinem Magen bemerkbar. Er war es gewohnt, Hunger zu leiden, aber nun, da er ein freier Mensch war, hatte er nicht die Absicht, dies zum Dauerzustand werden zu lassen.
    Als er mit beschwingten Schritten dem Weg folgte, der sich zwischen frisch bepflanzten Weinbergen und Obstwiesen hindurchschlängelte, erblickte er in nicht allzu weiter Ferne ein kleines Bauernhaus aus Stein. Es lag halb versteckt in einer Senke. Er verfiel in Laufschritt. Ein paar Minuten später trat er auf einen großen, von baufälligen Schuppen umringten Hof, der verlassen war, nur ein paar schmutzige Hühner pickten zwischen dem Unkraut nach Körnern. Vor ihm erhob sich ein breites, flaches Bauernhaus, dessen Vordertür halb offen stand. Merrin ging auf die Tür zu, und der Geruch von frisch gebackenem Brot stieg ihm in die Nase.
    Sein Magen schlug einen doppelten Purzelbaum. Er musste dieses Brot haben. Ohne die Tür zu berühren, die so aussah, als quietsche sie fürchterlich, schlüpfte er ins Haus. Er gelangte in einen langen, dunklen Raum, der nur von einem glimmenden Herdfeuer an der hinteren Wand erhellt wurde. Er blieb stehen und sah sich um. Es war niemand zu Hause, dessen war er sich sicher. Der Brotbäcker oder die Brotbäckerin war offensichtlich anderweitig beschäftigt, und diese einmalige Gelegenheit wollte er sich nicht entgehen lassen.
    Wie eine Katze schlich er lautlos über den Lehmfußboden, vorbei an einem großen Heuhaufen und einem Stapel Holzkisten. Doch dann unterlief ihm ein Fehler, der einer Katze nicht unterlaufen wäre: Er trat auf ein Huhn. Laut gackernd und wild mit den Flügeln schlagend stieg die blinde alte Henne in die Luft. »Pst!«, zischte Merrin verzweifelt. »Pst, du blöder Vogel!« Die Henne nahm davon keine Notiz, flog einen Bogen seitwärts und krachte in eine saubere Reihe von Bohnenstangen, die an der Wand lehnten. Mit dem lautesten Klappern, das Merrin jemals gehört hatte, fielen die Stangen zu Boden, und im nächsten Augenblick nahten eilige Schritte.
    Die Silhouette einer wohlbeleibten, mütterlich aussehenden Frau erschien in einer Tür am anderen Ende des Raums. Merrin duckte sich hinter den Kistenstapel. »Henny!«, rief die Frau und lief nur wenige Schritte entfernt an ihm vorbei. Sie stolperte im Dunkeln über die Henne und nahm sie auf den Arm. »Du dummes Huhn. Komm, Zeit für dein Frühstück, mein Liebling.«
    Zeit für mein Frühstück, meinst du wohl, dachte Merrin, den es ärgerte, dass eine zerrupfte alte Henne auf dem Arm getragen, mit einem Frühstück verwöhnt und Liebling genannt wurde, während er sich mit knurrendem Magen im Dunkeln verstecken musste. Wäre die Frau über ihn gestolpert, wäre die Sache bestimmt ganz anders
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