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Septimus Heap 04 - Queste

Titel: Septimus Heap 04 - Queste
Autoren: Angie Sage
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doppelgesichtigen.
    Zitternd stülpte er sich den Ring auf den Daumen und verscheuchte jeden Gedanken daran, dass eines Tages jemand versuchen könnte, ihn andersrum von seinem Daumen zu ziehen. Zu Anfang saß der Ring locker an seinem dürren, schmutzigen Daumen mit dem abgebissenen Nagel und dem dicken Knöchel, aber nicht lange. Er spürte, wie sich das Gold immer mehr erwärmte, bis es fast unangenehm heiß wurde – und dann zog sich der Ring zusammen. Bald passte er wie angegossen, aber so blieb er nicht. Er wurde noch heißer und zog sich weiter zusammen. Der Daumen begann zu schmerzen.
    Merrin geriet in Panik. Er hüpfte hin und her, schüttelte die Hand, schrie und stampfte vor Schmerz mit den Füßen. Der Ring zog sich immer enger. Die Spitze seines Daumens lief rot, dann lila und schließlich dunkelblau an. An dieser Stelle hörte Merrin auf zu schreien und sah ihn entsetzt an: Er wusste einfach, dass sein Daumen gleich platzen würde. Würde er knallen wie ein Korken, fragte er sich, oder würde er mit einem platschenden Geräusch explodieren? Er wollte es gar nicht wissen. Er schloss die Augen. Und im selben Augenblick, als er die Augen schloss, lockerte der Ring die Umklammerung, das Blut strömte zurück, und der Daumen schwoll ab. Jetzt passte der doppelgesichtige Ring, obgleich er immer noch fest saß, so fest, dass er ihn an seine Gegenwart erinnerte. Merrin wusste, dass er jetzt ihm gehörte, solange er lebte – zumindest solange sein linker Daumen lebte.
    Langsam begann Merrin zu begreifen, das Schwarze Magie nicht unbedingt zum Wohle derer wirkte, die sie ausübten. Aber jetzt konnte er nicht mehr aufhören. Er saß in der Falle und musste sich an den letzten Teil des Zaubers machen – und das Schicksal eines anderen verdunkeln. Und dies musste in der Burg geschehen, denn dort lebte dieser andere, in der Spitze des Zaubererturms, wo er selbst einst gelebt hatte. Und unter demselben Namen, den er selbst einst getragen hatte: Septimus Heap.

* 4 *
    4.  Flucht aus den Ödlanden

    K u rz vor Tagesanbruch stieg Merrin aus dem Bett, wankte, noch halb schlafend, in das düstere Observatorium und steuerte auf die Glühraupentonne zu. Müde schöpfte er frische Glühraupen in eine Glaslampe, die er für die Reise brauchte, und erst als er den Deckel wieder auf die Tonne knallte, öffnete er vollends die Augen – und schrie. Er hatte die Gespenster ganz vergessen. Ein gutes Dutzend drängte sich um die Glühraupentonne und beobachtete jede seiner Bewegungen. Die übrigen wanderten, wie von einem unsichtbaren Wind getrieben, ziellos umher.
    Nun, da er wusste, dass die Gespenster ihn auf Schritt und Tritt beobachteten, tappte Merrin in Simons spärlich möbliertes Zimmer, schloss den Schrank auf und nahm einen kleinen schwarzen Kasten heraus, auf dem »Spürnase« stand. Mit den Ellbogen bahnte er sich einen Weg zurück durch die Menge der anhänglichen Gespenster und stopfte Spürnases Kasten zusammen mit ein paar anderen Kostbarkeiten in einen Rucksack. Dann schulterte er den Rucksack und holte tief Luft. Es war Zeit zu gehen, doch in diesem Moment erschien ihm selbst das kalte, gruslige, feuchte, abgeschiedene und von Gespenstern wimmelnde Observatorium noch um vieles verlockender als die Reise, die vor ihm lag. Zuerst musste er die dunkle steile Treppe mit ihren vielen hundert in den Fels gehauenen, schlüpfrigen Stufen hinabsteigen, dann an der alten Kammer der Magogs vorbei und durch die lange, schleimige Wurmhöhle schleichen. Aber Merrin wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Es musste sein.
    Falls er gehofft hatte, die Gespenster hätten ihre Aufgabe erfüllt und würden im Observatorium bleiben, so wurde er enttäuscht, als er sich nach den ersten paar Stufen umdrehte und hinter sich eine lange Reihe von Gespenstern sah. Mit Knuffen und Tritten bahnten sie sich einen Weg zur Treppe. Na prima, dachte Merrin, einfach prima.
    Eine halbe Stunde später stand er im Eingang der zweckentfremdeten Wurmhöhle, aber er war nicht allein. Alle sechsundzwanzig Gespenster drängten sich hinter ihm. Er spürte ihre Blicke im Nacken und bekam davon ein eisiges Kribbeln. Mit seinen schmutzigen Fingern nervös an die schleimige Höhlenwand trommelnd und in der feuchten Luft fröstelnd, spähte er zu dem dunklen Horizont über den Felsspitzen auf der anderen Seite der Schlucht.
    Am liebsten hätte er die Wurmhöhle auf der Stelle verlassen, doch er wollte warten, bis sich die ersten gelben Streifen der
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