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Septemberblut

Titel: Septemberblut
Autoren: Rebekka Pax
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lächeln, so sehr freute ich mich, sie zu sehen. Sie trug Schwarz. Eine enge Jeans, ein Shirt mit kleinen aufgedruckten Ornamenten und eine kurze Jacke mit glänzenden Knöpfen. Ihr lockiges Haar fiel frei über die Schultern, und ich nahm mir fest vor, noch heute Abend herauszufinden, ob es sich so weich anfühlte, wie es aussah.
    »Schön, dass du da bist«, sagte ich erleichtert.
    »Entschuldige die Verspätung.« Sie sah fertiger aus als bei derBeerdigung. Die notdürftig ausgebesserte Schminke verriet, dass sie geweint hatte.
    Ich überging ihre Traurigkeit und reichte ihr die Rosen. Die Geste zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht, das auch die Augen erreichte.
    Als der Kellner kam, drückte ich kurz ihre Hand, dann folgten wir ihm hinein.
    Ich blinzelte beim Blick in eine helle Lampe über der Tür. Das Restaurant selbst lag in gemütlichem Halbdunkel.
    Wir bekamen einen Tisch für zwei auf einem kleinen Podest direkt vor der Fensterscheibe. An der Decke über uns quietschte ein aus Eisenteilen geschweißter Drache.
    Während sich Amber hinter der Speisekarte versteckte, ließ ich meinen Blick über die Wände streifen. Poster vergangener Rockglückseligkeit, zerschmetterte Gitarren, zerfetzte Trommelstöcke. In jedem Winkel des Raumes kleine Fernseher, die uns mit Musikvideos bestrahlten.
    Amber tauchte wieder hinter ihrer Karte auf.
    »Ich weiß nicht, was ich nehmen soll.« Ratlos legte sie das laminierte Blatt auf den Tisch.
    Ich drehte es um und tippte mit dem Finger auf ein Gericht. »Das da, den scharfen Fisch, dazu braunen Reis, der ist eine Spezialität des Hauses.«
    »Hört sich gut an. Nimmst du das Gleiche?«
    Ich schluckte, jetzt kam der unangenehme Teil. »Ich habe schon gegessen«, erwiderte ich mit Unschuldsmiene.
    Sie sah mich empört an. »Aber was machen wir dann hier? Hast du denn gar keinen Hunger?«
    »Nein, aber ich sehe dir gerne zu«, antwortete ich grinsend.
    Die Wahrheit war, ich hatte Hunger, sogar großen. Die Haut meiner Begleiterin duftete wunderbar. All die Menschen um mich herum tränkten die Luft mit Lebensenergie. DerGedanke an ein Blutbad war verführerisch, doch ich war zivilisiert, ich konnte warten.
    Amber winkte den Kellner herbei, während ich aus dem Fenster starrte. Meine Zunge tastete nach den scharfen Zähnen. Ich schnitt mich und genoss für einen kleinen Moment den köstlichen Geschmack von Kupfer. Die Wunde schloss sich sofort, und ich lächelte Amber an wie eine Katze, die eine ahnungslose Maus betrachtete.
    Wir bestellten. Der Kellner ging, und ich versuchte, die Stille zu füllen. »Wie geht es dir?«
    »Ach, ich …«, stotterte sie.
    Sofort füllten sich Ambers Augen mit Tränen. Sie brauchte eine Weile, um ihre Trauer herunterzukämpfen.
    Ich wartete geduldig, übte mich in einem mitfühlenden Gesichtsausdruck und reichte ihr meine Stoffserviette als Taschentuch.
    »Gerade waren wir bei einem Anwalt. Ich hätte nie gedacht, dass Frederik überhaupt weiß, was ein Anwalt ist.« Ihre Stimme klang rau. »Es ging um sein Erbe, so etwas Idiotisches. Mutter bekommt alles, was sie an Erinnerungsstücken aus der Wohnung behalten will, der Rest geht an seine Kumpels.«
    Der Kellner kam und goss uns Wasser mit Eisstückchen in riesige Gläser, dann schlurfte er im Rhythmus der Musik davon. Amber starrte ihm hinterher.
    »Und was hat dein Bruder für dich bestimmt?«
    Als Amber schließlich antwortete, sah sie mich nicht an.
    »Einen bescheuerten Brieföffner aus Holz.« Sie zerknüllte ihre Serviette und strich sie wieder glatt. »Was soll ich denn damit? Ich bekomme E-Mails, keine Briefe!«
    Ich war alarmiert. »Hast du ihn dabei?«, fragte ich und versuchte, dabei so unaufgeregt wie möglich zu klingen.
    Amber nickte mit zusammengepressten Lippen und hob ihreHandtasche auf den Schoß. Einige Tränen bahnten sich den Weg durch ihre Wimpern und tropften auf das Leder.
    »Hier, ich will ihn nicht.«
    Sie reichte mir einen in ein Mickey-Mouse-Handtuch eingewickelten Gegenstand.
    Ich rollte es auseinander, und dann lag es vor mir. Das Messer. Tod so vieler Vampire.
    »Das ist kein Brieföffner.«
    Meine Finger strichen vorsichtig über das feuergehärtete Holz und die alte lateinische Inschrift. Die bloße Berührung versetzte mein Fleisch in heilige Furcht.
    Etwas in mir wollte davonrennen, so schnell und so weit wie nur irgend möglich.
    Die Magie in dem Messer schlief nur. Wie eine lauernde Bestie wartete es auf den richtigen Augenblick, den richtigen Träger. Es
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