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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Namen des Anrufers »R. Schädlich«. Die Wohnungstür klappte. Lara drückte das Telefon ans Ohr, hörte die aufgeregte Stimme des Polizeibeamten und sah gleichzeitig, wie Jo und Mark hinausrannten.
    »… ich habe es auch erst vorhin erfahren, als mich der diensthabende Beamte angerufen hat … Ich war schon zu Hause. Sind die Kollegen schon bei Ihnen?«
    » Was haben Sie erfahren?« Lara stand noch immer neben ihrem Stuhl. Auf dem Tisch glühte das Papier der vier Briefe.
    »Das Ergebnis der DNA-Analyse. Ich sagte es doch eben schon!«
    »Die DNA-Analyse? Was ist denn damit?« Während sie sich
aufmachte, den Männern zu folgen, und sich gleichzeitig fragte, was an dieser DNA-Analyse so bedeutsam war, sprudelte es weiter aus Kriminalobermeister Schädlich heraus.
    »Es gibt eine Übereinstimmung! Die gefundene DNA im Fall Meller ist mit der identisch, die man in dem Erbrochenen bei Grünkern gefunden hat.« Schädlich schnappte nach Luft. Lara dachte daran, dass sie das schon wussten und der Kripo nachher allerhand erklären mussten. Jetzt jedoch war es erst einmal vorrangig, Maria Sandmann zu finden.
    »Dann war es also der gleiche Täter.«
    »Nicht ganz, Lara, nicht ganz…« Er machte eine Pause, holte tief Luft und setzte dann hinzu: »Es war nicht derselbe Täter . Die gefundene DNA gehört zu einer Frau .«
    Mit einem Mal rückten alle Puzzleteilchen an die richtige Stelle.
    Es gab keinen Matthias.
    »Matthias« war eine Frau. Eine Frau mit einer multiplen Persönlichkeit, die aus mehreren getrennt voneinander agierenden Innenpersonen bestand, von denen keine von den anderen wusste.
    Im Nachhinein dachte Lara, man hätte förmlich sehen können, wie ihr ein Licht aufging.

47
    Mark musterte die teilnahmslos dasitzende Maria Sandmann. Der Aufenthalt im Haftkrankenhaus tat ihr nicht gut. Sie war verschlossen, und er konnte kaum noch zu einer ihrer Personen durchdringen, obwohl mittlerweile einige von ihnen ihn als Arzt kannten. Mal schüttelte sie den Kopf, dann wieder nickte sie, so als höre sie inneren Stimmen zu. Ihre Körperhaltung und die Gesichtsausdrücke
wechselten ständig. Einmal nahm sie den Daumen in den Mund und schaute aus wie ein entmutigtes Kleinkind, kurz darauf richtete sie sich auf und streckte die Arme über den Kopf, wobei sie mit tiefer Stimme leise ächzte.
    Er hätte alles dafür gegeben zu wissen, was da drin vor sich ging, aber so einfach würde das nicht werden. Das angeforderte Gutachten würde wochenlange Tests und Untersuchungen erfordern, bei denen er auf ihre Kooperation angewiesen war.
    Mark sah kurz auf seine Notizen, dann kehrte sein Blick zu der Patientin zurück, während er sich fragte, welche ihrer Persönlichkeiten gerade draußen war.
     
    » Hallo, Mia. Ich freue mich, dass wir uns endlich einmal in Ruhe unterhalten können.« Das Mädchen lächelte. Maria Sandmann betrachtete das großflächige Gesicht. Die blauen Augen leuchteten. Sie hatte das undeutliche Gefühl, dieses Mädchen schon einmal gesehen zu haben, wusste aber nicht, wo und wann das gewesen war.
    »Du erinnerst dich nicht, stimmt’s? Ich bin Michaela.«
    »Michaela.« Noch immer wollte die Erinnerung nicht hervorkommen.
    »Wir waren zusammen in den Katakomben. In der Arrestzelle im Keller des Kinderheims.«
    Mit einem Knirschen tauchte die Szene vor Mias innerem Auge auf: wie sie im Finstern gehockt und geweint hatte, ihre Angst vor den Peinigern, ihr leises Schluchzen, und dann hörte sie die tröstende Stimme von Michaela, die ihr Mut zusprach, und spürte deren weiche Hand in ihrer. Jetzt lächelte auch sie.
    »Immer, wenn du dich allein und verängstigt fühlst, komme ich zu dir.« Michaela streckte den Arm aus und ergriff Mias Hand. »Willkommen in der Familie.« Sie zeigte auf ein kleines Kind, das sich, den Daumen im Mund, hinter einem größeren Jungen versteckte. »Das ist Melissa. Melissa ist noch sehr klein und ein wenig schüchtern. Und sie spricht nicht. Es wird eine Weile dauern, bis
sie Vertrauen zu dir gefasst hat. Sie ist sehr zurückhaltend und hat viel Schlimmes durchgemacht. Irgendwann werden wir darüber sprechen, aber nicht jetzt. Körperkontakt vermeidet sie. Du kannst ihr aber zuwinken.« Michaela hob Mias Hand, die sie noch immer festhielt, und schüttelte sie. Die Kleine rührte sich nicht.
    »Und schau mal, da drüben im Rosengarten  – das Mädchen in der Schürze. Das ist Mandy. Sie war auch in dem Kinderheim. Eines Tages war sie verschwunden. Wir haben erst sehr viel
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