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Sense

Sense

Titel: Sense
Autoren: Jörg Juretzka
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war wie einen Kampfjet gegen eine Cessna zu tauschen. Gemütlich brummelnd zog sie uns die fünf Etagen hoch, die wir gerade noch in heulendem, von Rattern begleitetem Sturzflug heruntergekommen waren.
    An der Kasse zahlte ich zwei Mark für die angefangene Stunde und steuerte mein treues Gefährt hinaus in die Nacht.
    Dann erst fiel ich in mich zusammen.
    Würde ich jemals zu Geld kommen? Ich bin kein Typ für Selbstmitleid, aber würde ich?
    Die Carina suchte sich ihren Weg, überließ mich meiner brütenden Erschöpfung.
    Scuzzi lud mit düsterer Miene den Revolver.
    Wir konnten nur raten, doch waren wir uns ziemlich einig, dass man Elvis mit dem Kokainsurrogatextraktersatz wohl gründlich über den Tisch gezogen hatte. Die andere Möglichkeit war, dass er selbst jemanden bescheißen wollte, doch wozu dann der riskante Transport vom Mittelmeer hoch? Wie auch immer, große Geschäfte würde er nicht mehr damit machen, denn nach Scuzzis Schüssen hatte garantiert irgendjemand vom Straßenbahndepot die Bullen gerufen. Das hieße, dass auch die >Princess Stephanie< wohl fürs Erste unter behördliche Obhut käme. Eine Vorstellung, die mich flüchtig erheiterte, bis ein Weiterspinnen des Gedankens die Frage aufwarf, ob Elvis unter Umständen wohl zu der rachsüchtigen Sorte von Zeitgenossen zu zählen sei. Aller Erfahrung nach mit ungemütlich hoher Wahrscheinlichkeit ja.
    Bis zum Hals in der Scheiße und kurz davor einzunicken. So fühlte ich mich.
    »Zieh für ein paar Tage zu mir«, sagte Scuzzi. »Meine Stahltür kann eine Menge Spaß vertragen.«
    Ich nickte. Was blieb mir? Mehrere Tage und Nächte hintereinander unter der Regie von Fernseh- und Musikprogrammdirektor Scuzzi würden mich vermutlich in der Zwangsjacke enden lassen, doch immer noch besser das als ein rückenfreies Hemdchen, 'ne Binde ums Kinn und zwei Heiermänner auf den Döppen.
    »Außerdem habe ich so ein Gefühl, als ob sich das Problem Elvis über kurz oder lang von selbst erledigt.«
    Wieder nickte ich. Was ich aber auf keinen Fall zulassen konnte, war, dass dieses Arschloch eine zweite Chance bekam, seine Wut an meiner Katze auszulassen. Ich würde sie mitnehmen müssen. Als ich das aussprach, schüttelte Scuzzi nur ungläubig den Kopf. Ich sei der sentimentalste Typ, der ihm jemals untergekommen sei, fand er.
    »Hast du keinen Schiss, Elvis könnte dir gerade jetzt auflauern?«
    »Nö«, antwortete ich, nach kurzer Überlegung. »Der dürfte im Moment andere Sorgen haben.«
    »Genau das Gleiche habe ich heute schon mal gehört. Und Boy, hatte der andere Sorgen!«
    Hm. Da war wohl etwas dran. Wieso hatte sich Elvis nicht wie geplant in Polizeigewahrsam befunden, als wir seine Yacht durchwühlten?
    »Gestern«, korrigierte ich ihn, trotzdem.
    In der >Endstation< brannte noch Licht, leise Musik dudelte hohl durch die entvölkerte Kneipe. Schon halb die Treppe hoch, entschied ich mich, Bernhard von meiner bevorstehenden Abwesenheit zu unterrichten, stakste wieder runter, nahm den Weg durch die Küche und umrundete die Ecke zum Schankraum im gleichen Moment wie er. Ruckartig blieben wir stehen und starrten einander an.
    »Jesus!«, entfuhr es uns wie aus einem Mund.
    »Du siehst aus wie der aufgewärmte Tod«, sagte ich zu ihm.
    »Du solltest dich mal sehen«, entgegnete er.
    »Wie lange bist du jetzt auf den Beinen?«
    »Und du?«
    Wir standen ein bisschen herum und versuchten zu rechnen, doch es kam nichts dabei heraus.
    »Ein Bier?«, fragte er schließlich und trat hinter den Tresen. »Allein heute?«
    »Scuzzi wartet im Wagen.« Ich hatte vorsichtshalber zweihundert Meter weiter geparkt, in der Einfahrt zur Schrebergartensiedlung, und Scuzzi hatte keine Lust zu laufen. »Solltest du nicht lieber langsam mal ins Bett?«
    »Ich bin jenseits des Punktes. Außerdem muss ich noch auf Drago warten, der rief vorhin an.«
    »Drago?«
    »Ja, sagte, er braucht Geld, will mit mir abrechnen. Will eine Auszeit nehmen, Urlaub machen, ist mit den Nerven runter, wie er sagt.«
    »Drago? Mit den Nerven runter? Welchen Nerven?«
    »Ich verstehe es auch nicht. Hörte sich komisch an, am Telefon. Vielleicht Eheprobleme, was weiß denn ich.« Bernhard zapfte mir einen Humpen, goss sich einen braunen Tequila ein. »Auch einen?«
    Ich winkte ab. Mit Tequila, ganz gleich in welcher Form, war ich fertig. Zittrig griff ich nach dem Humpen und wünschte das erste Mal in meinem Leben, Bernhard hätte mir ein kleineres Bier eingeschüttet. Selbst mit beiden Händen
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