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Sense

Sense

Titel: Sense
Autoren: Jörg Juretzka
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schwerer Geländewagen Anstalten machte, mit unverantwortlich hoher Geschwindigkeit unseren Kurs zu kreuzen. Ein Nissan >Sumo< (Scherz). Der rotgesichtige Schwachkopf unter seinem Tirolerhut am Steuer hupte nur, wo andere gebremst hätten, was ich empörend fand.
    Mehr als voll bremsen geht nicht. Tausend stumpfe Messer stachen mir in die Arme, als ich das Lenkrad bis zum Anschlag nach rechts kurbelte im verzweifelten Versuch, nicht zur leichten Beute eines dieser übergewichtigen automobilen Dinosaurier zu werden.
    Es klappte. Es klappte so eben. So gerade eben.
    Die ganze Karosse des Ferrari dröhnte, und blauer Rauch stieg auf, während wir, seitwärts und mit Schwung gegen die riesigen, rotierenden Stollenreifen geschlittert, ein kleines Stück Seite an Seite mit dem Ungetüm reisten, bis es unvermittelt einen dieser himmelhohen, ganze Kreuzungen ausleuchtenden Lichtmasten küsste und wir unseren Weg alleine fortsetzten.
    Pfeifend kam der Mast herunter, peitschte auf das Pflaster nieder, und die Wucht des Aufpralls ließ direkt neben uns, gerade als wir daran vorbeifuhren, die Lampenkrone in einem bestimmt zwei Meter hohen, durch das frei werdende Leuchtgas bunt und schillernd illuminierten Wölkchen feinster Glaspartikel detonieren, das einen atemlosen Augenblick lang frei schwebend zu verharren schien, bevor es zu Boden rieselte wie Schnee im Mondlicht und verging.
    Traumhaft.
    »Das ich das noch erleben durfte ...«, seufzte mein Beifahrer pointiert und entspannte sich wieder ein wenig. Oh, ich kannte den Tonfall. Ich wusste, worauf er hinauswollte.
    »Hör zu«, giftete ich ihn an und drückte den nächsthöheren Gang rein, »jeder muss sich erst mal an ein Auto wie dieses gewöhnen, jeder!«
    »Wenn du normalerweise Porsche fahren würdest, wie ich es wieder und wieder gepredigt habe, wäre die Umstellung ja wohl kaum so dramatisch, oder?«
    Nicht zuletzt durch die Blödheit des Geländewagen-Idioten hatte der BMW wieder aufgeholt und versengte mir mit seinen Hexagon-Leuchten die Nackenhaare. Ich trat das Gas mit Wut. Und ich ärgerte mich.
    »Und ich habe dir wieder und wieder gesagt«, gab ich hitzig zurück, »wenn du so wild darauf bist, in einem Porsche chauf-fiert zu werden, dann kauf du doch einen!«
    Hier, auf dem glatten Asphalt der Akazienallee, beschleunigte der Ferrari, dass man Angst bekam, die Rückenlehnen könnten abbrechen.
    »Ich? Ich soll einen kaufen? Damit er keine viereinhalb Minuten später so aussieht wie diese Karre hier?«
    Aah, Humor! Eine Gabe. Das Aufblitzen magischer Heiterkeit, das einem wirklich gelungenen Witz folgt, ist noch nicht mal durch das Aufblitzen von Mündungsfeuer im Rückspiegel zu vertreiben. Oder doch?
    Doch.
    Der Außenspiegel auf meiner Seite machte fnack und spiegelte die Welt von da ab in hundert Facetten, rings um ein schwarzes Loch. Wer immer da schoss, es war kein Pierfrancesco Scuzzi, was Zielgenauigkeit anging. Unbegreiflich, wie ich gerade noch lachen konnte, dies hier war ernst, todernst. Wären wir doch bloß schon auf der Bahn ...
    Nicht zuletzt dank der Blödheit dieses GeländewagenVolltrottels mussten wir jetzt unten an der nächsten Kreuzung noch mal abbiegen und . anhalten!
    Ein Sattelschlepper querte rumpelnd unseren Pfad, und ich sah, im rechten Spiegel Rauch aus den Radkästen des BMW aufsteigen, als der Fahrer versuchte, sich neben uns zu bremsen. Es war der Mann mit der Tolle, Elvis himself, und Hufei-senschnäuzer hielt hinter ihm seine eigenwillige Barttracht, seine flatternde, dunkle Mähne und ein solide wirkendes Stück schwarzen Rohres in den Fahrtwind.
    Im letzten Augenblick, just bevor sie an unserer Seite auftauchten, eine Millisekunde bevor ich eine weitere Flucht im Rückwärtsgang probiert hätte, zog die Rückleuchte des LKW vor unserer Nase vorbei, und die Kupplung schnackte hoch, die Hinterräder jaulten auf, der Motor brüllte, ging dann in ein Kreischen über, brüllte, kreischte, brüllte, kreischte, brüllte noch mal, und wir hatten die Wahl zwischen gut einem halben Dutzend blauer Pfeile. Venlo? Köln? Hannover? Arnheim? Essen? Essen . Wir mussten den Ferrari loswerden, und zwar pronto, nicht zuletzt weil der Geländewagen-Blödmann uns mit Sicherheit gerade als faule Ausrede für seine verantwortungslose Fahrweise missbrauchte, und mir kam eine blendende Idee.
    Essen also.
    Jetzt, auf sauberer Unterlage und mit warmen Reifen, lag die Kiste eigentlich ganz ordentlich, und ich schaffte es sogar, sie den Auffahrtbogen
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