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Sense

Sense

Titel: Sense
Autoren: Jörg Juretzka
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mit großem Ernst zu nicken.
    »Dreizehn Uhr! Und keine Sekunde später. Sie ist meine wichtigste Kundin, sie hat Geld wie Heu, und wenn du es schaffst, diesen Fall zu verbocken, war das der letzte Auftrag, den ich dir jemals vermittelt habe!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich herausfordernd an. Eine ganze Weile lang. Anscheinend war ich jetzt mal dran. Ich räusperte mich. Hier war meine Chance, Interesse und Kompetenz zu zeigen, vielleicht doch noch ein wenig Eindruck zu schinden. Ich stellte die Tasse beiseite, konzentrierte mich, versuchte, einen harten, wachen Ausdruck in meine verschwiemelten Augen zu zwingen, sah auf und sagte: »Ich dachte, man sagt >Mandantin    Damit hatte sie nicht gerechnet. Ich auch nicht. War mir wirklich nichts Besseres eingefallen?
    Sie schenkte mir einen Blick, mit dem man ein Lagerfeuer hätte anfachen können. Im Regen. Sie öffnete den Mund, um mir eine Bemerkung entgegenzuschleudern, mit der man einen Brand hätte löschen können. In einer Munitionsfabrik. Ich stoppte sie mit erhobener Hand.
    »Komm zur Sache«, sagte ich, »oder ich bin weg.« Für einen Moment dachte ich, sie kippt mir um. So bleich wurde sie. Doch sie fing sich bewundernswert. Nur ihre Finger zitterten leicht, nicht aber ihre Stimme, als sie ein Blatt vom Schreibtisch hochnahm und begann, mir die wichtigsten Daten des anstehenden Auftrags vorzubeten.
    Ursula >Ursel< Sentz, geborenene Wollenweber, ihre Mandantin, wie sie mit Betonung und einem fischigen Seitenblick sagte, war Ende Vierzig, Geschäftsfrau, Besitzerin einer ganzen Kette von Automatenspielsalons, kinderlos und in zweiter Ehe verheiratet mit Sascha >Pascha< Sentz, einem ehemaligen Diskothekenbetreiber von Mitte Vierzig, ». also ungefähr dein Alter«, wie sie sagte.
    Moooment mal, dachte ich. Diesen Heini und mich trennte fast ein Jahrzehnt, da erschien mir >ungefähr dein Alter< doch etwas übertrieben .
    »Aber er sieht wesentlich jünger aus«, fügte sie hinzu und sah von ihrem Blatt auf. »Was man von dir heute beim besten Willen nicht sagen kann.«
    Aaah, immer wieder auf die gleiche Stelle! Bis zum technischen K.o. Ein Leberhaken nach dem anderen. Und das nach allem, was dieses mein Organ die letzte Zeit so durchgemacht hatte. Und ohne sich zu beklagen. Nein, ich würde ihr eine Pause gönnen müssen, das Schnapsgurgeln drangeben. Würde ihr gut tun. Und meinem Aussehen auch. Steinharte Entschlusskraft begann in mir zu wachsen wie ein Stalagmit. Oder Stalaktit. Also, das eine hängt von der Decke .
    ». und deshalb sollst du ihn suchen.«
    Was? Wen? Warum? Irgendetwas hatte ich gerade verpasst. Wie unangenehm. Meine Anwältin, der nichts entgeht, bemerkte meinen, nun ja, etwas Rat suchenden Blick und deutete ihn automatisch richtig, denn ihr platzte endgültig der Kragen.
    »Kristof Enrico Kryszinski!«, brüllte sie mich mit meinem vollen Namen an, sprang auf die Füße und gab dem Schreibtisch eins mit der Faust, dass der Zettelspieß einen Satz in meine Richtung machte.
    »Wirst du mir jetzt einmal für fünf Minuten zuhören?!«
    Meine Mutter hatte zurzeit meiner Geburt für Caruso geschwärmt, und mein Vater hat ihr nie etwas abschlagen können.
    »Wirst du, oder muss ich jemand anderen beauftragen?«
    Ich persönlich erwähne meinen mittleren Namen eigentlich nur, wenn ich etwas mit zwei Kugeln vorne dran zum Lachen bringen will.
    »Ja doch«, sagte ich.
    Schwer zu sagen, wieso, aber es wirkt fast immer.
    »Also«, Veronika fasste sich, mit sichtlicher Mühe, »wo war ich?«
    >Enrico    ». mitsamt den Monatseinnahmen von zehn Spielhallen seit vorgestern verschwunden«.
    Ich sah auf. Was hieß hier >verschwunden    »Du willst jetzt sicher fragen, ob die Polizei schon eingeschaltet ist?«, zwitscherte Veronika mit saurem Lächeln, und ich dachte >Hätt ich mal<.
    »Die Antwort ist: nein. Ursel Sentz möchte die Behörden, wenn möglich, außen vor lassen, zumindest so lange, bis sie zu Hause einige Vorkehrungen getroffen hat.«
    Häh?
    Ich machte »Häh?«
    Veronika hob beide Arme, strich sich die Lockenpracht nach hinten und lehnte sich, die Hände im Genick verschränkt, zurück. Ich schluckte, trocken. Blickte auf meine Hände und behielt sie scharf im Auge. »Kristof, das ist jetzt
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